Es ist Samstagmorgen, elf Uhr. Aus der Wasserkirche in Zürich ertönt ein dumpfer Bass, während draussen Hunderttausende in Richtung des Zürcher Seebeckens pilgern. Sie wollen auf direktem Weg an die Streetparade. Nach und nach füllt sich aber auch der Kirchenraum, mitten im Geschehen. Es ist die pure Neugier, die viele an diesem Samstag in die Kirche lockt.
Veranstaltet wird der ökumenische Gottesdienst vom Freundeskreis Grossmünster. Ein offenes Forum, das versucht, Menschen wieder näher an die Kirche zu binden. Das Ziel des Raver-Gottesdienstes ist, dass die Kirche auch an Events wie der Streetparade ihre Präsenz markiert und so junge Menschen erreicht.
Zwei DJs spielen elektronische Musik. Die Predigt hält der bekannte Zürcher Pfarrer Christoph Sigrist, ihm zur Seite stehen eine Theologin mit katholischem Hintergrund und ein Imam. Seine Worte werden mit Techno angereichert, passend zur Parade in der Stadt.
Das Publikum
Der Event spricht sowohl Jung als Alt an. Im Vergleich zum letzten Raver-Gottesdienst, der 2019 stattfand, ist die Kirche gut gefüllt. Von halbnackten, verkleideten jungen Männern bis hin zu älteren tanzenden Frauen. «Es braucht Offenheit und Beweglichkeit in der Kirche», erklärt eine ältere Besucherin.
Teile des jüngeren Publikums konnten kaum glauben, dass die Kirche einen Rave mit Technomusik veranstaltet. «Ich war gestern bis vier Uhr unterwegs. Bin aber heute Morgen extra aufgestanden, weil ich mir das nicht entgehen lassen wollte», schildert eine junge Frau.
Ziel erreicht?
Auf die Frage hin, ob der Kirchen-Rave damit das Ziel erreiche, junge Menschen in die Kirche zu bringen, antwortet eine junge Teilnehmerin: «Wenn man weit weg vom Glauben ist, weiss ich nicht, ob das einen so viel näher an die Kirche bringt.»
Eine andere Herangehensweise hat die reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn. Ihre Taktik ist es, junge kirchenferne Menschen anzusprechen, die jedoch einen Bezug zum christlichen Glauben haben. Im Hiphop Center Bern, das von der Kirche subventioniert wird, veranstaltet eine Gruppe junger Menschen einen christlichen Hiphop-Event. «Nahe an der Lebenswelt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen», wie die Organisatorin, Melanie Keller, die Veranstaltung beschreibt.
Die Zukunft der Kirche
«Junge Menschen wollen Geschichten hören», meint die 26-jährige Veranstalterin. Daher würden sie Leute einladen, die ihre persönliche Geschichte mit Bezug zu Gott teilen, angereichert mit einer Hiphop- und Rapshow.
Melanie Keller erzählt: «Einige junge Menschen nehmen Anstoss an der Kirche, die Leute schätzen es, in anderen Räumlichkeiten als der Kirche Gottesdienste zu feiern.»
Die Hoffnung von Keller ist gross, dass es immer mehr solche Angebote geben wird: «In zehn Jahren werden 60 bis 80 Prozent der Pfarrpersonen pensioniert sein, dann wird ein Wandel passieren müssen. Solche Projekte, wie wir es sind, dürften dann mehr Raum einnehmen und einen Dialog- und Begegnungsort schaffen.»