- Tiefe Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel haben Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden.
- Einerseits sinkt die Angst vor Arbeitsplatzverlust, andererseits steigen Arbeitsbelastung und Stress.
- Damit nimmt die psychische Erschöpfung zu, wie eine Umfrage von Travailsuisse zeigt.
Zu diesem Resultat kommt das neunte «Barometer Gute Arbeit» des Gewerkschaftsdachverbands Travailsuisse und der Berner Fachhochschule. Für die Zunahme der psychischen Erschöpfung verantwortlich sind demnach Überstunden, Arbeit in der Freizeit und Beschäftigung über dem Wunschpensum, wie Travailsuisse bei der Präsentation mitteilte.
Nach stetigem Anstieg in den letzten Jahren ist die Erschöpfung bei den Arbeitnehmenden 2023 auf einem neuen Höchststand angekommen. Lediglich 12 Prozent sind nach der Arbeit nie erschöpft.
Zu erschöpft für Privates
41.3 Prozent der Beschäftigten hingegen geben an, am Feierabend oft oder sehr häufig emotional erschöpft zu sein. Jede Dritte und jeder Dritte ist zu erschöpft, um sich noch um private oder familiäre Angelegenheiten kümmern zu können.
Als Folge davon sind gemäss Travailsuisse psychische Probleme erstmals der Hauptgrund für eine IV-Rente. 820'000 Beschäftigte wollen ihre Stelle wegen des Stresses und der psychischen Belastung wechseln. Gegenüber 2022 ist das eine deutliche Zunahme. Das letzte Barometer wies noch 650'000 Wechselwillige aus.
Für Travailsuisse ist klar, dass nicht mehr Grippe oder Arbeitsunfälle das grösste Gesundheitsrisiko bei der Arbeit darstellen, sondern der Stress. Das sei ein Alarmzeichen. Ans Parlament richtet die Arbeitnehmerorganisation die Forderung, sich des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz anzunehmen.
Gute Aussichten auf neue Stelle
Das Barometer zeigt auch Positives: Über die Hälfte der Beschäftigten macht sich keine Sorgen um den Arbeitsplatz – so viele wie noch nie und über 10 Prozentpunkte mehr als 2019. Gleichzeitig schätzen sie die Chance auf eine neue Stelle als sehr gut ein.
Dennoch sinkt die Zahl der Erwerbslosen nicht, die aus der Arbeitslosenstatistik verschwunden sind. Eine Erklärung bietet gemäss Travailsuisse die vernachlässigte Weiterbildung. 45.4 Prozent der Arbeitnehmenden gaben an, dabei wenig Unterstützung durch die Arbeitgebenden zu erfahren.
Bei Lohnanalysen harzt es
Auch bei der Lohngleichheit erbrachte die Erhebung Mängel. Zwar müssen Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden gemäss Gleichstellungsgesetz eine Lohnanalyse erstellen und die Angestellten bis Ende Juni über die Resultate informieren. Auf der Arbeitnehmerseite geben zwei Drittel aber an, nichts von den Analysen zu wissen.
Ein zunehmender Anteil von einem Viertel sieht die Lohngleichheit in ihrem Unternehmen sogar als nicht gegeben an. Weil das Gleichstellungsgesetz keine griffigen Kontrollen enthält, fordert Travailsuisse zum Melden fehlbarer Arbeitgeber auf einer Internetplattform auf. Überhaupt sei es Zeit, «die Farce zu beenden und das Gleichstellungsgesetz endlich zu verschärfen».