In Sichtweite des polnischen Parlaments spielen sich am internationalen Tag der Frau anfangs März dramatische Szenen ab. Es ist zwar nur Theater, aber besonders drastisch.
Abtreibungsgegnerinnen und -gegner versperren den Eingang zu einem Gebäude, schreien Parolen, blasen in Plastiktröten und haben Poster mit Abbildungen toter Föten mitgebracht. Eine Puppe steckt in einem Kessel mit roter Farbe. Babygeschrei ertönt aus einem Lautsprecher, es ist ein Höllenlärm.
Beratungszentrum mitten in der Stadt
Im Gebäude befindet sich ein Beratungszentrum für Abtreibungen, es ist Eröffnung. Natalia Broniarczyk ist eine der Initiantinnen des Projekts.
Die 41-jährige Aktivistin sagt: «Die Idee besteht darin, an der wichtigsten Strasse in Warschau einen Ort zu haben, wo Frauen Abtreibungspillen nehmen und einander unterstützen können – unweit des Parlaments und des Büros der Regierungskoalition.»
Die Politik habe schon so oft Reformen versprochen, aber es ändere sich nichts. Deshalb hätten sie sich zu diesem Schritt entschlossen.
Abtreiben ist praktisch verboten
Die «Pille danach» einzunehmen, ist für Polinnen fast die einzige legale Möglichkeit, eine Schwangerschaft zu beenden. Das Land hat eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze Europas.
Der Abbruch einer Schwangerschaft ist nur erlaubt, wenn Vergewaltigung oder Inzest im Spiel sind oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Frau in Gefahr ist.
Bis 2020 war die Abtreibung auch dann möglich, wenn beim Fötus Krankheiten festgestellt wurden. Diese Möglichkeit wurde unter der rechtskonservativen Vorgänger-Regierung abgeschafft. Mehrere Frauen starben in den letzten Jahren, nachdem ihnen eine Abtreibung verweigert worden war.
Broniarczyk glaubt zwar an einen Kulturwandel in Polen. Der werde aber nicht von der Politik, sondern von der Gesellschaft ausgehen. Von der Politik, so sagt sie, erwarte sie nichts mehr.
Enttäuscht von der Politik
Ähnlich geht es der Journalistin Marta Kutkowska. Sie gehört zu den vielen Frauen, die 2023 für Donald Tusk gestimmt haben – und ihm damit zum Sieg über die rechtsnationale PiS verholfen haben.
Wir dachten, dass sich mit der neuen Regierung alles ändern wird.
Sie sagt: «Wir waren so glücklich, wir konnten es nicht glauben. Wir hatten schon gedacht, dass die PiS unser ganzes Leben lang an der Macht bleiben wird. Wir dachten, dass sich alles ändern wird.»
Doch das Versprechen der neuen Regierung, in den ersten hundert Tagen das Abtreibungsrecht zu liberalisieren, hat Premierminister Tusk nicht eingehalten. Im letzten Sommer scheiterte ein Reformversuch im Parlament – auch Vertreter aus der regierenden Koalition stimmten mit Nein.
Tusk hat nun versprochen, nach den Präsidentenwahlen im Mai einen neuen Anlauf zu machen. Aber Marta Kutkowska glaubt nicht daran, zu oft wurde sie schon enttäuscht.
Trump setzt auch in Polen die Themen
Inzwischen stiftet die Politik von US-Präsident Donald Trump und die wachsende Gefahr aus Russland Unruhe in Polen und bestimmt die politische Diskussion.
Kutkowska sagt, die Frauenrechte würden wohl einmal mehr von anderen Themen verdrängt und auf der Dringlichkeitsliste nach hinten rutschen. Wie schon so oft geschehen, in der Vergangenheit.