Es kriselt zwischen der Türkei und Griechenland. Heute Freitag soll ein türkisches Gas-Bohrschiff aus dem östlichen Mittelmeer zurückkommen. Eine Mission, die für Spannungen sorgt. Denn die beiden Länder streiten schon lange um mögliches Erdgas im Mittelmeer. Beide Staaten sind Nato-Mitglieder. Wie problematisch ist dieser Streit für das militärische Bündnis? Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF, ordnet ein.
SRF News: Inwiefern ist der Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland ein Problem?
Fredy Gsteiger: Zwei wichtige Partner stehen praktisch an der Schwelle zu militärischen Auseinandersetzungen. Es schwächt das Bündnis, seine Abschreckungswirkung und es absorbiert auch Kapazitäten der Nato, vor allem im Bereich der Streitschlichtung. Auf der anderen Seite gilt es festzuhalten: Wenn Griechenland und die Türkei nicht schon seit Jahrzehnten Nato-Mitglieder wären, hätte man möglicherweise längst einen offenen militärischen Streit.
Wie kann man die Spannungen genau einordnen?
Das militärische Problem betrifft die Nato-Südostflanke, also den Raum, der an den Nahen Osten grenzt, wo auch Migrationsströme durchgehen. Dort möchte man eigentlich möglichst geeint und robust auftreten. Aber wenn gerade die beiden Länder, die diese Südostflanke abdecken, miteinander im Streit sind, ist das schwierig.
Was ist der Anlass für die jüngsten Spannungen?
Es gibt viele Streitpunkte. Die territorialen Streitigkeiten in der Ägäis kochen immer wieder hoch. Die jüngste Eskalation hat aber vor allem damit zu tun, dass der türkische Präsident Erdogan immer nationalistischer agiert. Er steht wegen der bevorstehenden Wahlen unter Druck und ist deswegen unter Umständen auch geneigt, aussen- und sicherheitspolitische Streitigkeiten zu schüren. Damit lenkt er von innenpolitischen und wirtschaftlichen Problemen ab.
Erdogan ist geneigt, aussen- und sicherheitspolitische Streitigkeiten zu schüren.
Hinzu kommt, dass in dieser Gegend auch Bodenschätze gefunden wurden. Und auf der Insel Zypern, wo der südliche Teil von Griechenland unterstützt wird und der nördliche Teil von der Türkei besetzt ist, sieht es immer schlechter aus für eine mögliche Wiedervereinigung.
Wie gut passt die Türkei noch in das Verteidigungsbündnis?
Immer schlechter. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die westliche Allianz nicht nur als militärische, sondern auch als Wertegemeinschaft deklariert. Die Länder stehen nicht nur sicherheitspolitisch zusammen, sondern auch auf denselben demokratischen und rechtsstaatlichen Werten.
Eine Aufnahme der Türkei in die Nato wäre heute weitgehend undenkbar.
Von diesen Werten hat sich Erdogan sehr stark entfernt. Ich glaube, eine Neuaufnahme der Türkei heute in die Nato wäre weitgehend undenkbar.
Ist auch ein Ausschluss möglich?
Das ist gar nicht so einfach. Bei vielen internationalen Organisationen sind Austritte oder Ausschlüsse eigentlich nicht vorgesehen. Wenn die Türkei aber selber zum Schluss käme, austreten zu wollen, dann kann sie das sicher tun.
Wäre ein Austritt der Türkei auch mit Problemen verbunden?
Das ist genau die Schwierigkeit und auch der Grund, weshalb die Nato nicht mehr Druck macht. Die Türkei ist sozusagen der Riegel zwischen dem Nahen Osten und dem übrigen Nato-Raum, der bei einem Austritt aber weg wäre.
Das will die Nato nicht. Klar ist auch, dass die Türkei bei diesem Szenario nicht einfach ein wohlwollendes Land, sondern eine entschiedene Gegnerin der Nato wäre. Man hätte da nicht eine neutrale Schweiz oder ein Finnland an der Nato-Aussengrenze, sondern einen klaren Widersacher.
Das Gespräch führte Tobias Bühlmann.