Polizisten feuern Tränengas ab, Demonstranten werfen Pflastersteine – solche Videos in den sozialen Medien schockierten die Menschen in Hongkong auch am Montag. Die Demonstrationen sind auch das grosse Thema im Vorfeld der Bezirkswahlen vom kommenden Wochenende.
«Ich weiss nicht, ob wir sichere und faire Wahlen haben werden», sagt Horace Cheung, Vizechef von Hongkongs grösster Pro-Peking-Partei DAB. Cheung ist Abgeordneter im Parlament Hongkongs und kandidiert ebenfalls für die kommenden Bezirkswahlen – im Stadtteil Kennedy Town.
Ich weiss nicht, ob wir sichere und faire Wahlen haben werden.
Die Gewalt mache auch nicht vor den Kandidatinnen und Kandidaten halt: Sein Büro sei schon zum dritten Mal beschädigt worden und für den Wahlkampf unbrauchbar. Er habe weder Computer noch Fotokopierer. Er könne im Büro auch keine Besuche empfangen, was seine Wahlkampagne stark beeinträchtige.
Pro-Peking-Partei befürchtet Verluste
Wirkliche Macht haben die Bezirksräte in Hongkong nicht. Sie haben vor allem eine beratende Funktion in den einzelnen Stadtvierteln. Zugleich sind sie als Minderheit im Wahlgremium vertreten, das die Regierungschefin wählt.
Trotzdem befürchtet Cheung, dass dieses Mal viele Wähler Kandidaten der Pro-Peking-Parteien abstrafen: «Früher ging es in den Bezirkswahlen in Hongkong um Alltagsthemen wie Sauberkeit, Busverbindungen und Gesundheitsversorgung. Diesmal jedoch sind die Wahlen sehr politisch.»
Fast ein halbes Jahr mit Protesten
Es geht um die Demokratiebewegung und die Ausschreitungen, die Hongkong seit Monaten beschäftigen. Angefangen hat sie mit den Protesten gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, das die Regierung inzwischen zurückgezogen hat. Doch schon bald forderten die Demonstranten mehr: Demokratische Reformen etwa und eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Die Beliebtheit von Regierungschefin Carrie Lam ist auf einem Tiefpunkt angelangt.
Werden die Wahlen abgesagt?
Von der aktuellen Stimmung dürfte das Pro-Demokratische Lager profitieren. Ein Teil der Demokratie-Aktivisten befürchtet deshalb, dass die Regierung die geplanten Wahlen für Sonntag absagen könnte.
Einerseits wird erwartet, dass vor allem viele Junge dieses Mal wählen gehen. Andererseits könnte die Wahlbeteiligung durch Ausschreitungen beeinträchtigt werden, wenn Wählerinnen und Wähler aus Angst vor Gewalt lieber zu Hause bleiben.
Der Pro-Peking-Politiker Horace Cheung glaubt dagegen nicht, dass eine Verschiebung für seine Partei gut wäre: «Ich und meine Partei sind bereit, uns diesen Wahlen zu stellen, obwohl sie etwas unfair sind für uns.» Eine Verschiebung der Wahlen bringe aber nichts, denn auch dann seien sichere Wahlen nicht garantiert.