Als Mahsa Amini am 16. September im Polizeigewahrsam stirbt, ist die Nation erschüttert. Ihr Tod steht bis heute als Symbol für die systemkritischen Proteste. Knapp 15'000 Demonstrierende wurden nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen festgenommen, mehr als 340 Menschen sind im Rahmen der Proteste getötet worden. Vielerorts herrscht ein Klima der Sorge und Angst. Auch deswegen suchen die Anhänger der Proteste nach weiteren Möglichkeiten, ihren Unmut auszudrücken.
Turbanschlagen: Ein bekanntes Phänomen des zivilen Ungehorsams richtet sich direkt gegen Irans Mullahs. Für viele Leute verkörpern sie Geschlechter-Ungerechtigkeit, den autoritären Kurs der Regierung und die strengen Kleidungsvorschriften. Auf tausendfach geteilten Videos im Netz läuft zunächst ein schiitischer Geistlicher eine Strasse entlang, während sich plötzlich jemand von hinten anschleicht. Erst ein paar vorsichtige Schritte, dann ein kurzer Sprint – und schon wird dem Prediger der Turban vom Kopf geschlagen.
Umarmungen: Das Austauschen von Zärtlichkeiten gilt in Iran als Privatsache. Dass Pärchen in den Metropolen Händchen haltend durch die Innenstadt laufen, ist jedoch seit Jahren nichts Ungewöhnliches mehr. Gleichzeitig stören sich junge Leute häufig an den bestehenden Vorschriften und suchen immer neue Wege, die strengen Regeln und gesellschaftlichen Normen zu brechen.
Kunstblut: Nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte hat auch die iranische Kunstszene Protestaktionen gestartet. So werden immer wieder nicht verifizierbare Videos mit blutrot gefärbten Brunnen geteilt, ob in der Hauptstadt Teheran oder im Zentraliran. Mit der Protestaktion, die an getötete Demonstrierende erinnert, erfolgt auch eine kulturelle Umdeutung. Denn während des Iran-Irak-Kriegs (1980 bis 1988) färbten Systemanhänger die Brunnen der Friedhöfe für ihre Märtyrer blutrot. Ähnliche Protestaktionen zielen auf den stark kontrollierten öffentlichen Raum. So wurden etwa metergrosse Plakate einflussreicher Staatsmänner mit roter Farbe übergossen.
Hashtags: Eine weitere Protestform in der Öffentlichkeit zielt auf die Verbreitung bekannter Hashtags, die in den sozialen Medien zur Markierung von Beiträgen genutzt werden. Ob an Autobahnbrücken oder Häuserwänden, vielerorts schreiben Protestteilnehmer den Namen der iranischen Kurdin Mahsa Amini gut sichtbar mit Graffiti auf. Die Aktion ist nicht ungefährlich, es sollen bereits Menschen deswegen verhaftet oder getötet worden sein.
Zettelbotschaften: Während der Staat das Internet wegen der Proteste immer drastischer einschränkt, verbreiten Demonstrierende Botschaften auf kleinen Zetteln, die unauffällig auf der Strasse weitergegeben werden. Waren die sozialen Medien wie Instagram vor ihrer Sperrung noch beliebte Orte, um Demonstrationen zu organisieren, rufen die Menschen nun mit Nachrichten auf Zettelchen dazu auf. Mit Zeichnungen und Sprüchen auf den Papierschnipseln machen sich die Demonstranten zusätzlich Mut.