US-Präsident Joe Biden steht nach seinem missglückten TV-Auftritt letzte Woche im Gegenwind. Trotz der grossen Bedenken, ob er angesichts seines fragwürdigen Gesundheitszustands nicht durch einen anderen Kandidaten ersetzt werden sollte, scheint er unbeirrt weitermachen zu wollen. Für den USA-Spezialisten Thomas Jäger gibt es gar keine realistische Alternative für die Demokraten.
SRF News: Warum hält Joe Biden trotz aller Kritik an seiner Kandidatur fest?
Thomas Jäger: Weil er will. Er hat sich dazu schon im Herbst 2022 entschlossen, nachdem der Familienrat zusammengekommen war. Es wurde beschlossen – entgegen den ursprünglichen Plänen – den Stab nach vier Jahren nicht an Vizepräsidentin Kamala Harris weiterzureichen. Das wiederum hat wesentlich damit zu tun, dass Harris die Erwartungen, die man in sie hatte, nicht erfüllt hat. Biden hat sich also entschlossen, weiterzumachen – und da kommt er auch nicht mehr raus.
Macht es aus Sicht der Demokratischen Partei Sinn, dass Biden weitermacht?
Die erste Alternative wäre eben Vizepräsidentin Harris, denn Biden hat sie ausgewählt, ihm nachzufolgen, falls ihm etwas passieren sollte. Doch niemand in der Demokratischen Partei will die Vizepräsidentin als Kandidatin haben. Und die anderen möglichen Kandidaten wie Gavin Newsom oder Gretchen Whitmer haben ihre Kampagnen für eine eigene Kandidatur im Herbst 2022 eingestellt.
Es gibt für die Demokratische Partei eigentlich keine Alternative mehr zu Biden.
Sowieso lässt sich ein Präsidentschaftskandidat nicht einfach so auswechseln. Amerikanische Politiker sind wie Unternehmer: Sie haben eine ganze Firma, ein eigenes Team hinter sich. Da kann man nicht einfach den Kopf auswechseln, denn da spielen Loyalitäten eine wichtige Rolle. So wird etwa Bidens Beraterstab nicht einfach von einer anderen Kandidatin übernommen. Und die anderen potenziellen Kandidaten sind jetzt nicht mit eigenen Teams vorbereitet. Deshalb gibt es für die Demokraten eigentlich keine Alternative mehr zu Biden. Trotzdem kursieren jetzt die Namen von potenziellen Kandidaten.
Wie realistisch ist es, dass Biden doch noch ausgewechselt wird?
Das ist wenig realistisch. Es dauert Jahre, eine Präsidentschaftskandidatur aufzubauen. Ausserdem schielen die erwähnten Politiker bereits auf die Wahl von 2028, wenn weder Biden noch Trump im Rennen sein werden. Entsprechend will sich niemand von ihnen jetzt in einem Wahlkampf verheizen lassen, in dem sie nur wenige Wochen Zeit hätten, um sich zu profilieren. Trotzdem werden sie sicher gerührt sein, dass sie schon jetzt als mögliche zukünftige Kandidaten genannt werden.
Das Biden-Lager stellt sich auf den Standpunkt, der TV-Auftritt ändere nichts daran, wie die US-Bevölkerung den Präsidenten wahrnehme. Stimmt das?
Die Debatte selbst hat grundsätzlich wohl nur einen kleinen Einfluss auf die Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler.
Weil das Rennen in einigen Bundesstaaten sehr eng wird, könnte der TV-Auftritt trotzdem entscheidend werden.
Das wissen wir von früheren TV-Debatten. Weil das Rennen in einigen entscheidenden Bundesstaaten aber sehr eng wird, könnte der TV-Auftritt trotzdem den entscheidenden Punkt darstellen. Doch bis es so weit ist, müssen wir die Umfragen in den nächsten Wochen und Monaten abwarten. Immerhin: Biden versucht, den schlechten Eindruck der Debatte schon wieder wettzumachen.
Das Gespräch führte Romana Kayser.