Lulas Umweltpolitik gleicht oft einem Tauziehen zwischen Wirtschaftsinteressen und Klimaschutz. Das wurde bereits in seinen ersten beiden Amtszeiten als Präsident zwischen 2003 und 2011 klar. Trotzdem kann er auch wichtige Erfolge vorweisen: So ist die illegale Abholzung des Amazonas-Regenwaldes im ersten Jahr von Lulas dritter Amtszeit deutlich zurückgegangen – um rund einen Drittel. Der Amazonas-Gipfel letzten August blieb dann allerdings hinter den Erwartungen zurück.
Brasilien ist zurück auf der Weltbühne
Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Aussenpolitik: «Brasilien ist zurück auf der Weltbühne», verkündete Lula bei der UNO-Vollversammlung im September. «Lula baut die brasilianische Aussenpolitik wieder auf, nach Jahren der internationalen Isolation unter Vorgänger Jair Bolsonaro», sagt Roberto Goulart Menezes, Politologe an der Universität von Brasília.
Lula als Diplomat
Aussenpolitisch sucht Lula die Nähe zu den USA, China und der EU. Dabei schlägt er einen eigenen Weg ein: Der Bitte des Westens, die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen, erteilte Lula eine Absage. Stattdessen bot er sich als Vermittler an – als Mitglied der BRICS-Gruppe, zu der auch Russland und China gehören.
Doch der grosse diplomatische Durchbruch bleibt bislang aus. Ob er dieses Jahr am G-20-Gipfel erfolgt, wenn Brasilien Gastgeber ist, ist fraglich. Und auch die Beziehungen zu den südamerikanischen Nachbarn sind frostiger, seit in Argentinien Rechtspopulist Javier Milei Präsident ist.
Ein polarisiertes Land und ein schweres Erbe
«Innenpolitisch hat Lula versucht, die Glaubwürdigkeit der Institutionen wieder zu stärken, so bilanziert Politologe Menezes. Er verweist dabei auf den Putschversuch vom 8. Januar 2023 in Brasilien – nur eine Woche nach Lulas Amtsantritt. Auch der Dialog mit der Opposition sei wichtig, denn das Land sei nach wie vor sehr gespalten.
Mit der Steuerreform, die Unternehmen entlastet, und mit der Änderung des Finanzrahmens konnte Lula wichtige politische Erfolge feiern, obschon die Steuerreform erst von einer Kammer des Parlaments angenommen wurde. Im Parlament sind die Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro nach wie vor stark und für Lula eine grosse Herausforderung. Trotzdem gelang es ihm, die «Bolsa Familia» zu reformieren – ein Sozialprogramm für bedürftige Familien.
«Bislang erhielten alle Familien gleich viel Geld, unabhängig von der Anzahl Kinder – neu werden die Kinder genauer berücksichtigt», erklärt Experte Menezes. Aktuell ist der Handlungsspielraum der Regierung aufgrund der Kräfteverhältnisse aber stark eingeschränkt – im nationalen Parlament und in den einzelnen brasilianischen Gliedstaaten. Das könnte sich mit den Lokalwahlen dieses Jahr ändern.
Das Fazit von Lulas erstem Jahr zurück im Amt ist durchzogen. Trotz grosser Altlasten hat Lula viel erreicht, aber es bleibt auch noch viel zu tun: Beim Klimaschutz, in der Aussenpolitik und in Brasilien, wo die politischen Gräben noch immer tief sind.