Der Wind weht ungebremst über die Gipfel des bulgarischen Balkangebirges hinweg. In den Weg stellt sich ihm nur ein Ufo aus Beton. Architektin Dora Ivanova schliesst dessen vergitterte Tür auf und sagt: «Der Ort auf dem Berggipfel – das ist schon beeindruckend, dass man hier ein so imposantes Werk geschaffen hat.»
Wer in den Bau will, muss unterschreiben, dass sie oder er auf eigene Gefahr das zerfallende halbdunkle Rund betritt. Brutalismus, nennen Architekten diesen Stil. Als das Gebäude namens Buzluzdha 1981 eröffnet wurde, war es eine Hommage an eine brutale Diktatur, ein Denkmal für den Kommunismus, eröffnet von Bulgariens Chef-Kommunisten.
Audiovisuelle Show fürs Volk
Der Jubel des Volks wirkte schon damals nicht echt, Buzluzdha war teuer, die Bulgarinnen und Bulgaren hatten dafür «spenden» müssen – das heisst, man hatte ihnen einen Teil des kargen Lohns abgezogen für diesen Palast des Volks auf dem Berg. Dem Berg, wo sich einst bulgarische Freiheitskämpfer Türken in den Weg gestellt hatten.
Immerhin, sagt Ivanova, hätten die Leute für ihr Geld den letzten Schrei bekommen. «Jede volle Stunde betraten etwa 500 Leute den Bau. Es gab eine audiovisuelle Show.» Das sei technologisch schon sehr fortgeschritten gewesen.
Unbekannte Vergangenheit aufarbeiten
Nicht einmal zehn Jahre später war Schluss mit dem Kommunismus in Bulgarien – und bald vergass man die Propaganda-Sprüche im Marmor auf dem Berg, die riesigen Mosaike mit den Köpfen kommunistischer Grössen. «Alle Möbel, alles, was man klauen konnte, wurde weggebracht oder wiederverwendet», sagt Ivanova.
Buzluzdha zerfiel, wurde zu einem Ort für Abenteurerinnen. Ivanova war damals ein Kind, später studierte sie Architektur in Deutschland. Von diesem kommunistischen Baudenkmal hatte sie nie gehört. Und nicht nur davon nicht: «Ich habe gar nichts über den Kommunismus oder die Geschichte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gelernt.»
Das ist typisch. In Bulgarien endete der Kommunismus, indem die Regierung verkündete, jetzt sei die Demokratie ausgebrochen. An der Macht blieben weitgehend dieselben Leute, unter neuen Namen. Darüber sprach man aber nicht. «Die Geschichte des Kommunismus ist eine schwarze Box, die man nicht öffnen darf», sagt auch Ivanova.
Dass Bulgarien heute mehr als die meisten Länder in Europa mit Korruption und Vetternwirtschaft ringt, hat viel mit dieser Wende zu tun, die keine war. Als ein deutscher Studienkollege Ivanova vom Mahnmal auf dem Berg erzählte, packte es sie. «Der Prozess der Aufarbeitung dieser Zeit hat nicht wirklich stattgefunden in Bulgarien. Und ich glaube, dass dieser Ort dazu dienen kann.»
Damit Hammer und Sichel wieder glänzen
Auf einem schwankenden Gerüst steht Jonas Roters, Restaurateur und Dozent an der Berner Fachhochschule. Er sagt: «Die Bevölkerung ändert ihre Einstellung, dass dies nicht mehr nur ein grosser Stein des Anstosses ist, sondern eine Mahnung für das Nie-mehr-wieder.»
Nie wieder. Und auch das bulgarische Ufo soll nicht zu alter Pracht zurückfinden. Aber es soll noch dieses Jahr so stabil werden, dass Besucher rein dürfen. Sehen werden sie prächtige Propaganda-Reste. Aber auch Zerfall und Neuanfang.
Seit Dora Ivanova über ihre Arbeit schreibt, seit über sie geschrieben wird, kommen jeden Tag etwa 500 Menschen hierher. Und die Zeiten ändern sich auch im Tal: Seit neustem lernen Schulkinder in Bulgarien, dass ihr Land einmal eine kommunistische Diktatur war.