Nach 25 Stunden war die «Erfurter Republik» auch schon wieder vorbei. Dann warf der gewählte FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich das Handtuch. Doch die langen Schatten der kurzlebigen «Erfurter Republik» werden Auswirkungen auf die Bundestagswahl im Herbst 2021 haben.
FDP-Chef Christian Lindner hat dabei seinen zweiten schwerwiegenden Fehler gemacht: Zuerst lehnte er nach der Bundestagswahl 2017 eine schwarz-gelb-grüne «Jamaika»-Koalition von Union, Grünen und FDP mit der Begründung ab: «Besser nicht regieren, als falsch regieren.» Dieser Satz hängt ihm seither wie ein Mühlstein um den Hals.
«Politik ist etwas für Profis»
Nach dem Debakel in Erfurt dieser Tage, als sich der FDP-Kandidat von der AfD wählen liess, spotteten Lindners Gegner, offenbar wolle die FDP jetzt lieber falsch regieren als nicht regieren. Entweder spielte Lindner mit dem Feuer oder er handelte fahrlässig, als er die Wahl des FDP-Mannes durch die AfD tolerierte. Die Chefredaktorin der Zeitung «Die Welt» und Ex-Frau von Lindner, Dagmar Rosenfeld, kommentierte im ZDF trocken: «Politik ist etwas für Profis.»
Lindner brachte die FDP 2017 im Triumph wieder in den Bundestag. Nicht ausgeschlossen, dass sie nach diesem Erfurter Debakel bei der Bundestagswahl 2021 wieder aus dem Bundestag fliegt.
Auch AKK machte keine gute Figur
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) wiederum liess sich als Verteidigungsministerin inthronisieren, als ihr Projekt «Kanzlerkandidatur» nicht vorankam. Jetzt zeigt sie sich beiden Aufgaben nicht gewachsen. Innenpolitisch fehlt ihr der Instinkt, brenzlige Situationen wie in Thüringen rechtzeitig zu beenden. Auf dem aussenpolitischen Parkett blamierte sie sich mit einer dilettantischen Initiative für eine Syrien-Friedensmission.
Ihr Konkurrent Friedrich Merz (CDU) hat in diesen Tagen – ein Schelm wer Böses denkt – seinen Rückzug aus dem Verwaltungsrat des umstrittenen Vermögensverwalters Blackrock angekündigt, um die CDU stärker zu unterstützen. Und im Hintergrund lauert Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Kanzlerkandidat.
Möglicherweise hat «AKK» mit ihrem Agieren in der Erfurter Krise ihre Chancen auf eine Kanzlerkandidatur der CDU verspielt.
Echo der Zeit, 07.02.2020, 18:00