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Deutschlands Sondervermögen «Die Schulden führen zu höheren Zinsen und mehr Inflation»

Einer der Ökonomen, welche Union und SPD beim Schnüren des Milliarden-Finanzpakets beraten haben, ist Clemens Fuest. Er ist Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Er sagt: Entscheidend sei jetzt, wie das Geld ausgegeben werde.

Clemens Fuest

Ökonom

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Clemens Fuest ist seit 2016 Präsident des ifo-Instituts der Universität München. Der Professor für Volkswirtschaftslehre ist auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats im Finanziminsterium der deutschen Regierung.

SRF News: Deutschland soll Hunderte Milliarden Schulden machen: War das Ihr Rat?

Clemens Fuest: In der aktuellen internationalen Bedrohungslage muss man sehr schnell sehr viel für die Verteidigung tun. Der Aufwuchs muss sehr schnell gehen, deshalb ist es sinnvoll, das teilweise mit neuen Schulden zu machen. Das Geld könnte im normalen Haushalt nicht schnell genug umgeschichtet werden, und die Steuern zu erhöhen, wäre auch nicht klug.

Wofür genau soll Deutschland das Geld ausgeben?

Zunächst für die Verteidigung. Zudem stellte die SPD die Bedingung, dass es auch ein Infrastruktur-Sondervermögen geben soll. Obschon im zweiten Bereich eine Neuverschuldung weniger überzeugend ist, ist doch das Gesamtpaket mit Verteidigung und Infrastruktur deutlich besser, als nichts zu tun. Im Infrastrukturgesetz geht es jetzt um Strassen, Brücken, Bahn, aber auch um Kinderbetreuung oder Schulen. Zudem haben die Grünen zur Bedingung gestellt, dass auch der Klimaschutz berücksichtigt wird.

Sie sagten, der Betrag für Infrastruktur sei zu klein – warum?

Einerseits wird der Begriff Infrastruktur sehr weit gefasst. Da stellt sich die Frage, ob der Staat Schulen und Kindergärten nicht aus dem ordentlichen Haushalt finanzieren müsste. Es sollte vielmehr für Investitionen in die Zukunft gehen.

Es muss sichergestellt werden, dass es überhaupt Firmen gibt, die die zusätzlichen Aufträge abarbeiten können.

Und es besteht die Gefahr, dass die Ausgaben für Infrastruktur im Kernhaushalt zurückgefahren werden, man sich auf das Sondervermögen verlässt und die Kredite womöglich zweckentfremdet. Bei dem Ganzen wird es auch wichtig sein, dass der Staat für die Aufträge nicht zu viel bezahlt, es muss bei der Vergabe also Wettbewerb herrschen. Zudem muss sichergestellt werden, dass es überhaupt Firmen gibt, die die zusätzlichen Aufträge abarbeiten können.

Welche Folgen kommen mit den mehreren Hundert Milliarden neuer Schulden auf Deutschland zu?

Bereits sind die Zinsen auf Bundesanleihen um rund 0.4 Prozent gestiegen. Ausserdem wird es wohl Inflation geben. All dieses Geld unterzubringen, ohne dass es Preissteigerungen gibt, ist kaum möglich. Höhere Zinsen und mehr Inflation führen zu einer Verdrängung von privaten Investitionen. So könnten die sowieso schon lahmenden Wohnbauaktivitäten wegen steigender Zinsen weiter zurückgehen.

Schulden machen ist nicht schwierig – das allein löst aber die Probleme nicht.

Welche sonstigen Reformen braucht es parallel zu diesen Plänen?

Es muss Menschen geben, die diese zusätzliche Infrastruktur bauen – es geht also nicht nur um die Finanzierung. Mögliche Reformen sind etwa der Abbau von Regulierungen oder dass man mehr arbeitet, etwa, indem pro Jahr ein Feiertag gestrichen wird. Schulden machen ist nicht schwierig – das allein löst aber die Probleme nicht. Das Ganze muss durch Mehrarbeit ergänzt werden, damit wirtschaftliche Aktivität entsteht.

Werden nicht ausserdem künftige Generationen mit den Schulden belastet?

Die Erwartung ist, dass künftige Generationen nicht nur mehr Schulden haben, sondern auch eine bessere Infrastruktur. Schliesslich belastet eine verfallende Infrastruktur die künftigen Generationen ebenfalls. Bei der Verteidigung ist es ein bisschen anders – hier werden jetzige und künftige Generationen belastet. Aber daran führt leider kein Weg vorbei.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 18.3.2025, 18:00 Uhr ; 

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