Es ist früher Abend im Touristenviertel unweit des Karon-Strands auf der Insel Phuket. Trotz des Regens finden sich erste Gäste in den Bars und Restaurants ein. Neben Englisch und Chinesisch fallen besonders die Beschriftungen und Werbungen auf Russisch auf. Kyrillische Buchstaben sind omnipräsent.
Sie schwimme gerne, möge das Meer, sagt eine Frau Mitte vierzig. Sie kommt aus Sibirien, arbeitet dort als Lehrerin und macht zusammen mit ihrer Mutter Ferien in Thailand. Dass es heute fast den ganzen Tag regne, fände sie nicht so toll, sagt sie. Trotzdem sei das Klima angenehmer als in ihrer Heimat Sibirien.
«Wir heissen alle willkommen»
Die beiden Frauen sind nicht die einzigen Russinnen, denen es hier gefällt. Bis Ende Jahr werden 900'000 russische Besucherinnen und Besucher allein auf Phuket erwartet. Sie sind inzwischen die grösste Besuchergruppe auf der Insel, noch vor den Chinesen.
In Phuket seien alle willkommen, unabhängig von Konflikten, sagt der langjährige Vorsitzende und heutige Berater des lokalen Tourismusverbandes, Bhumkitti Ruktaengam. Phuket soll aus der internationalen Politik rausgehalten werden. Wie wichtig Phuket für Russinnen und Russen geworden ist, zeigt die Tatsache, dass Russland im Juli ein Konsulat auf der Insel eröffnet hat.
Die Insel profitiere auch von den Direktflügen aus Russland, sagt Tourismusexperte Bhumkitti. Angeflogen wird Phuket nämlich nicht nur aus der Hauptstadt Moskau, sondern auch aus Städten wie Irkutsk, Novosibirsk oder Wladiwostok.
«Wer es sich leisten kann, verlässt das Land»
Ausserdem blieben die Russinnen und Russen inzwischen länger als früher, sagt Bhumkitti. Nicht nur zwei Wochen, sondern auch mal einen Monat oder gar ein halbes Jahr.
Zu den Langzeitaufenthaltern gehört auch Alexej, der in Wirklichkeit nicht so heisst. Der 28-Jährige sitzt in einem russischen Café, vor ihm auf dem Tisch ein geöffneter Laptop. Er arbeitet als Webdesigner für seinen Arbeitgeber in Russland.
Die Situation zu Hause sei schlimm, sagt er. Sein Bruder lebe in der Ukraine, in Charkiw, und er selbst in St. Petersburg. «Als der Krieg begann, habe ich das Land verlassen», sagt Alexej. Erst sei er in die Türkei geflogen und später weiter nach Thailand.
Seit fast eineinhalb Jahren sei er nicht mehr zu Hause gewesen. Alexej hat auch nicht vor, nach Russland zurückzukehren. Er fürchtet sich davor, in die Armee eingezogen zu werden. Wer Geld auf dem Bankkonto habe und wie er aus der Ferne arbeiten könne, verlasse das Land.
Einheimische fürchten Konkurrenz
In Phuket stossen die russischen Gäste nicht überall auf Gegenliebe. Die thailändische Wirtin Kor etwa ist nicht glücklich: Ihr thailändisches Restaurant ist umgeben von russischen Geschäften.
Es habe mit Schönheitssalons angefangen, doch jetzt betrieben die Russen weitere Geschäfte. Bei Restaurants würde sie es noch einigermassen verstehen, aber inzwischen unterhielten sie sogar eigene Motorradverleihfirmen.
Wegen des vielen russischen Geldes, das auf die Insel komme, seien zudem die Preise gestiegen, klagt Wirtin Kor. Sie will ihren ganzen Namen nicht nennen, aus Angst vor ihren russischen Nachbarn. Sie fände kaum noch Personal, sagt sie. Die Löhne seien gestiegen, weil die russischen Geschäftsleute viel mehr zu zahlen bereit seien.
Die Immobilienbranche boomt
Vom gestiegenen russischen Interesse profitiert dagegen der Immobilienmarkt. Zum Beispiel die chinesische JWP Group, die hier Hotels, Ferienwohnungen und Villen baut, wie deren Manager Haiko Tian erklärt.
Wegen der – wie er es nennt – «Situation» in Russland planten viele Russinnen und Russen, länger zu bleiben. Familien mit Kindern etwa wollten sich hier niederlassen und kauften Wohnungen. Aber auch Investoren, die gleich mehrere Immobilien auf einmal kauften.
Vor Covid sei man vor allem auf chinesische Kundinnen und Kunden ausgerichtet gewesen, sagt Tian. Inzwischen käme die Mehrheit der Käufer aus Russland. Für sie beschäftigt das Unternehmen russischsprachige Kundenberaterinnen und -berater.
«Der Anteil russischer Kunden wird wieder abnehmen»
Vom Immobilienboom profitiert auch Igor Farbitnik. Der russischstämmige Australier baut derzeit die «Andaman Riviera» – eine exklusive Wohnanlage wenige Gehminuten vom Sandstrand entfernt.
Die meisten Kundinnen und Kunden stammten aus Russland, sagt er. Früher habe man in Russland viel Geld verdient, aber dies werde nicht immer so bleiben. In ein, zwei Jahren, schätzt Farbitnik, werde der Anteil der russischen Kundinnen und Kunden wieder zurückgehen.
Farbitnik will sein Geschäft deshalb schon jetzt stärker auf den europäischen Markt ausrichten. Es wäre ein grosser Fehler, sagt er, wenn er sich allein auf den russischen Markt konzentrierte.
Noch läuft das Geschäft mit den russischen Kurz- und Langzeitbesucherinnen in Phuket. Unklar ist, wie lange noch.