Es kommt zu hitzigen Diskussionen bei der Waage, wo die Essensrationen im Flüchtlingslager Dadaab abgemessen werden. Die Rationen aus Mais, Hirse und Öl sind knapp berechnet; niemand will zu kurz kommen.
Gleich dahinter sitzt Fatma Mohammed auf dem staubigen Boden, einige Blachen schützen sie vor der glühenden Sonne. Fatma handelt mit kleinen Essensportionen. Die Flüchtlinge verkaufen sie, um sich so etwa den Motorrad-Transport in ihr weit entferntes Zelt leisten zu können.
Doch das Geschäft laufe schlecht. «Fast niemand hier hat Geld, um mir etwas abzukaufen», sagt sie. Diese Szene spielte sich bereits im November 2019 ab, schon damals lag eine Schliessung des Lagers in der Luft, und machte der Somalierin Sorgen. «Solange kein Frieden in Somalia herrscht und meine Kinder im Lager zur Schule können, will ich hier bleiben», sagt sie weiter.
Lager werden bis Juni 2022 geschlossen
Dadaab entstand vor fast 30 Jahren. Viele Flüchtlinge sind hier geboren, können nicht zurück, dürfen aber auch nicht weiter. Es ist nicht das erste Mal, dass Kenias Regierung die Schliessung des riesigen Lagers ankündigt.
Doch diesmal scheint es ernst. Bis Ende Juni 2022 sollen die beiden Lager Dadaab und Kakuma verschwinden. Der Hintergrund ist politisch: Kenia bezeichnet die Lager als Nährboden für die Terrororganisation Al-Shabab. Sie will die Schliessung der Lager bei den nächsten Präsidentschaftswahlen als Erfolg verkaufen. Zudem sind Kenia und Somalias Regierung zerstritten.
430'000 Menschen wohnen in den Lagern, die meisten kommen aus Somalia, andere aus Südsudan. Mariano Lugli, Programmleiter Kenia der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, sagt: «Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Auflösung der Camps.» Doch die Menschen brauchten eine Perspektive. «Man kann nicht einfach darauf hoffen, dass alle zurückkehren werden.»
Rückkehr, Umsiedlung oder Arbeitsbewilligung
Kenia und das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, welches die Lager betreibt, setzten auf die freiwillige Rückkehr vieler. Doch das dürfte für die wenigsten Somalierinnen und Somalier eine Option sein, denn in vielen Gebieten ihres Landes ist die Terrormiliz al-Shabab aktiv.
Eine weitere Möglichkeit ist die Umsiedlung von Flüchtlingen in ein anderes Land, doch das ist ein langwieriger Prozess. Schliesslich will Kenia einigen Flüchtlingen Arbeitsbewilligungen geben.
Und drittens will Kenia einigen Flüchtlingen Arbeitsbewilligungen geben. Das könnte für jene eine Option sein, die in den Lagern geboren sind und unterdessen selbst schon Kinder haben. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen würden die Schliessung der Lager kritisch begleiten, sagt Lugli.
«Wie und an wen Arbeitsbewilligungen ausgestellt werden, werden wir genau beobachten. Zudem muss man die Sicherheitslage in Somalia im Auge behalten.» Die Lager in Kenia waren einst als temporäre Lösung gedacht.
Weil kein Land die Flüchtlinge aufnehmen wollte, sind unterdessen abgeschottete Kleinstädte entstanden. Doch heute wissen die Bewohnerinnen und Bewohner nicht, wo sie in einem Jahr leben werden.