Das kleine Zimmer im siebten Stock eines Wohnblocks im Zentrum von Nairobi ist spärlich eingerichtet. Eine Matratze am Boden, ein winziges Pult in der Ecke: darauf Kekse, Wasser und ein Koran.
Neun Tage hatte die Flucht des 30-jährigen Ibrahim Alduma hierhin gedauert. Auf dem Landweg nach Äthiopien, dann mit dem Flugzeug nach Kenia.
Nun sitzt der junge Mann in Nairobi in einer WG mit zwei weiteren sudanesischen Flüchtlingen und macht die gleiche Arbeit, die er schon im Sudan gemacht hatte: Er sichtet, überprüft und archiviert Videos und Fotos, die Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen aus dem Sudan dokumentieren.
Und davon gebe es ziemlich viele, so Ibrahim Alduma: «Verhaftungen, Vergewaltigungen, Morde, Plünderungen, Wohnhäuser, die als Militärstützpunkte missbraucht werden, Krankenhäuser, die besetzt werden, Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung.»
Die traumatischen Bilder solle später als Beweise dienen
Die Organisation «Sudanese Archive» sammelt Daten und Beweismaterial zu Gräueltaten im Sudan seit Beginn der Proteste gegen Diktator Omar al-Bashir vor vier Jahren. Das Ziel: einerseits die Öffentlichkeit zu informieren, andererseits: wenn der Krieg vorbei ist, sollen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Bilder aus Darfur zeigen reine Massaker.
Und dafür braucht es Beweise. Mittlerweile haben Ibrahim Alduma und sein Team mehr als eine halbe Million Videos und Fotos archiviert – zuletzt Material zu Luftangriffen in Khartoum am Wochenende. Laut Médecins Sans Frontières war es das tödlichste Wochenende seit Beginn des Krieges.
Ibrahim Alduma nimmt seinen Laptop und sucht die Bilder. «Ich empfehle, die Bilder nicht anzuschauen.» Auch er müsse sich bisweilen schützen, so der junge Mann. Die drastischen Bilder seien nicht gut für seine psychische Gesundheit.
Von all dem Material, das der Sudanese täglich sichtet, haben sich einige Bilder besonders in sein Gedächtnis eingebrannt: die Bilder aus Darfur. «Das sind reine Massaker», flüstert Ibrahim Alduma.
Vor 20 Jahren schon wurden in Darfur Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit umgebracht. Die Gräueltaten dürften das Ausmass eines Genozids haben.
Heute ist es nicht anders. Die sogenannten Rapid Support Forces und andere arabisch-stämmige Milizen ermorden und vergewaltigen alle nicht-Arabischstämmigen. Die UNO hat gestern von der Existenz von dreizehn Massengräbern in der Stadt Geneina berichtet.
Hoffnung auf eine Zukunft
Ibrahim Alduma ist selbst auch aus Darfur. Seine Familie kann nicht fliehen, weil rundherum gekämpft wird. Hoffnung sei mittlerweile das Einzige, was er noch habe: «Alles ist zerstört, unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet», sagt der 30-Jährige im Exil in Nairobi.
Doch es sei Pflicht daran zu arbeiten, dass die nächste Generation aus dieser Gewaltspirale herausfinde. Darum schaut sich Ibrahim Alduma jeden Tag Dutzende grauenhafte Bilder an und überprüft und archiviert sie für die Zukunft.