Darum geht es: In der von Georgien abtrünnigen Südkaukasusregion Abchasien am Schwarzen Meer ist bei einer Stichwahl der 47-jährige Badra Gunba zum neuen Präsidenten gewählt worden. Er war der Kandidat Moskaus. Die Region Abchasien gehört völkerrechtlich zu Georgien, hat sich 1994 nach zwei Jahren Krieg aber von dem Land abgespalten und existiert seither unter Schirmherrschaft und mit massiver finanzieller Unterstützung Moskaus. Kremlchef Wladimir Putin gratulierte Gunba denn auch zum Sieg. Nur Russland und ein paar mit ihm verbündete Staaten erkennen die Eigenstaatlichkeit Abchasiens an.
Der Kreml hat sich so stark wie nie zuvor in den abchasischen Wahlkampf eingemischt.
Neuwahl nach Protesten: Die Präsidentenwahl wurde vorgezogen, nachdem es im November zu massiven Protesten gegen den Amtsinhaber Aslan Bschania gekommen war. Hintergrund war die geplante Unterzeichnung eines Investitionsabkommens mit Russland. Obwohl Abchasien politisch, militärisch und wirtschaftlich stark abhängig ist von Moskau, demonstrierten in Suchumi viele Menschen gegen den Vertrag. Sie befürchten einen Ausverkauf der nationalen Interessen. Denn konkret sieht der Vertrag vor, dass russische Investoren und Baufirmen an der abchasischen Schwarzmeerküste künftig Hotels bauen dürfen.
«Wahl» auf russische Art: «Der Kreml hat sich so stark wie nie zuvor in den abchasischen Wahlkampf eingemischt», sagt SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie. Moskau unterstützte «seinen» Kandidaten Gunba demnach in allen möglichen Bereichen: Wahlwerbung, Wahlempfehlung, Einladung nach Moskau und Rückkehr mit finanziellen Versprechungen. Vor allem aber machte Moskau Druck: Wegen der Proteste stellte Moskau seine Finanzspritzen an Abchasien ein; Staatsangestellte blieben monatelang ohne Lohn. Zudem kappte Russland die Stromzufuhr ins Gebiet – zu Beginn des Winters hatten die Menschen in Abchasien nur während zwei Stunden pro Tag Elektrizität. «Russland hat Zuckerbrot und Peitsche ausgepackt», umschreibt der Korrespondent das Vorgehen Moskaus.
Mögliche Probleme vorprogrammiert: Grundsätzlich sind alle Kandidaten, die in Abchasien zu einer Wahl antreten, auf der Seite Moskaus. Denn ohne die massive russische Unterstützung aus Russland könnte die Region gar nicht «unabhängig» existieren. «Trotzdem wollen die Abchasinnen und Abchasen nicht einfach völlig von Moskau kontrolliert werden», so MacKenzie. Allerdings erwarte Moskau jetzt, dass der neue Präsident Gunba das umstrittene Abkommen im Tourismussektor doch noch abschliessen wird. Damit seien neue Probleme quasi vorprogrammiert, so der Korrespondent.
Abchasien hat seine Unabhängigkeit nach dem Krieg gegen Georgien gleich an die Russen weiterverkauft.
Traum ausgeträumt? Viele Menschen in Abchasien möchten tatsächlich unabhängig sein – sowohl von Moskau als auch von Georgien. Andererseits muss ihnen klar sein, dass ohne Schutzmacht Russland der Traum einer eigenständigen Region ausgeträumt wäre. «Das ist für sie eigentlich eine unmögliche Situation», sagt MacKenzie. Russland könne enormen Druck auf die rund 250'000 Menschen in dem Gebiet ausüben und seinen Willen durchsetzen – das habe die Präsidentenwahl gezeigt. «Abchasien hat seine Unabhängigkeit nach dem Krieg gegen Georgien gleich an die Russen weiterverkauft. Und heute ist die Region so weit von einer wirklichen Unabhängigkeit entfernt wie schon lange nicht mehr», so der Korrespondent.