Die USA sind nicht nur deshalb eine Supermacht, weil sie selber so stark sind. Sie erhöhen vielmehr ihr Gewicht in der Welt mit soliden Allianzen. China galt hingegen bisher als Land ohne feste Freunde, zumal es fixe Bündnisse offiziell ablehnt. Tatsächlich aber findet Peking immer mehr Verbündete auf allen Kontinenten. Es fordert damit die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Alliierten heraus.
Von der Seidenstrasse zum Ukraine-Konflikt
Seit Alice Ekman den Begriff «die Schlacht der Koalitionen» geprägt hat, ist das Thema lanciert. Die Forschungsarbeit der China-Expertin am EU-Institut für Sicherheitsstudien wird viel zitiert und breit diskutiert. Sie stellt Gewissheiten auf den Kopf. Vor allem die: Anders als die USA mit all ihren Allianzen – der Nato im Nordatlantikraum, aber auch in Asien und im Nahen Osten – sei China zwar mächtig, aber letztlich ziemlich isoliert.
Tatsächlich habe China, anders als die USA, keine fixen, jahrzehntealten Allianzen – die einzige Ausnahme ist jene mit Nordkorea. «Doch seit Staatschef Xi Jinping an der Macht ist, baut es energisch und konsequent sogenannte Freundeskreise auf», stellt Alice Ekman fest. Peking lehnt das Konzept fester Militärbündnisse strikte ab und gibt niemandem Sicherheitsgarantien. Doch die Bande zu Dutzenden anderer Länder werden immer enger. Dabei hilft die chinesische Initiative einer neuen Seidenstrasse. So fliessen Milliardeninvestitionen in Dutzende von Staaten und schaffen Abhängigkeiten. Chinas Einflusssphäre wächst rapide. Der Eckpfeiler ist aber die Verbindung mit Russland.
Wirtschaftlich ist Russland für China kaum bedeutsam, ausser als Rohstofflieferant. Attraktiv aus Pekinger Sicht ist hingegen Moskaus sehr grosses Störpotenzial gegenüber dem Westen. Denn das Ziel der chinesischen De-facto-Koalitionspolitik ist, so Ekman, klar definiert: «China will die globale Anführerin einer Ländergruppe werden, die einflussreicher ist als die westliche.»
Das Image der USA leidet seit längerem
Wie weit China bereits vorangekommen ist, zeigt sich in der UNO: Dort schare die Führung in Peking regelmässig mehr als sechzig Länder hinter sich. Und zwar selbst für umstrittene chinesische Anliegen, wie die Ausschaltung der Demokratie in Hongkong, die Einverleibung Taiwans, die Unterdrückung der muslimischen Uiguren, die Tibetpolitik oder die Vorherrschaftsansprüche im südchinesischen Meer.
Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärft die Polarisierung und die Aufteilung der Welt in eine westliche und eine chinesische Einflusszone. Er zeigt zudem, dass der Westen ausserstande ist – etwa bei den Sanktionen gegen Russland – klare Staatenmehrheiten hinter sich zu scharen.
Dabei profitiert China vom weitverbreiteten Anti-Amerikanismus und von altem Misstrauen aus Kolonialzeiten gegenüber dem Westen. Gleichzeitig propagiert Xi Jinping, durchaus erfolgreich, sein autoritäres Staats- und Wirtschaftsmodell. Das chinesische Werben um Freunde findet vielerorts offene Ohren, zumal auch Regime hier willkommen sind, die nichts von Demokratie oder Menschenrechten halten – von Syrien über Nordkorea bis Belarus, Eritrea oder Venezuela.
Dass Ex-US-Präsident Donald Trump selber das westliche Allianzsystem beschädigte und nach Joe Biden womöglich wieder einer kommt, der das tut, spielt Peking in die Hände. «Trotz des westlichen Zusammenrückens in der Ukraine-Krise, hat», so die China- und Asienexpertin Alice Ekman. «Der Westen im Grunde keine Antwort auf Chinas geopolitische Expansion.» Noch sei das Rennen offen, aber der Vorteil liege derzeit bei China.