Manchmal könnte man den Drehbuchschreibern einfach den Hals umdrehen. Da verliert man sich in epischen Serien wie «Lost» oder «Game of Thrones» – und mit einem verkorksten Ende implodiert das ganze Drama, das sich über Jahre aufgebaut hat. Zurück bleiben Wut, Bitterkeit und Ohnmacht. Zumindest bei uns Normalsterblichen.
Einer der mächtigsten Männer der Welt will sich den Launen der «Screenwriter» aber nicht einfach ausliefern: Emmanuel Macron wehrt sich dagegen, dass «Emily in Paris» nach Rom zieht. Die Netflix-Erfolgsserie soll künftig in der Ewigen Stadt statt in der Stadt der Liebe spielen.
Präsidialer Protest
«‹Emily in Paris› in Rom?! Das ergibt doch keinen Sinn!», beschwert sich der «Jupiter-Präsident» im Magazin «Variety» – und holt die Blitze aus der Waffenkammer: «Wir werden hart dafür kämpfen, dass sie in Paris bleiben.» Mit «sie» sind die amerikanischen Produzenten der Dramedy-Serie gemeint.
«Einer von uns!», könnte man da denken. Hinter Macrons Aufschrei steckt aber mehr als enttäuschte Fan-Liebe. Denn laut dem französischen Präsidenten trägt die Serie zum Ansehen von Paris und ganz Frankreich bei. Ausdruck davon: Die Drehorte sind zum Pilgerort für abertausende Fans geworden.
Glücksfall für die Tourismusindustrie
Vor allem Touristinnen aus den USA wollen auf den Spuren von Emily wandeln. Und sie lassen sich das einiges kosten. Mirjam Mathis, Frankreich-Korrespondentin von SRF, folgert: «Die Serie lässt Dollar-Zeichen in den Augen des Präsidenten aufblitzen.» Die Netflix-Produktion sei ein gewaltiger Erfolg und damit zum Wirtschaftsfaktor für Paris geworden.
Unter Touristenschwund leidet die französische Hauptstadt definitiv nicht. «Macron war aber schon immer auf diesem Trip: Mehr Werbung, mehr Wachstum, mehr Tourismus», führt Mathis aus. Daran dürften auch die Anti-Emily-Graffitis nichts ändern, die man an Häuserwänden der Metropole antrifft.
In Rom sorgt der präsidiale Protest für unverhohlene Schadenfreude. «Das Herz will, was das Herz will», stichelte Bürgermeister Roberto Gualtieri auf X : «Beruhigen Sie sich, lieber Emmanuel Macron: Emily geht es in Rom sehr gut.»
Seit jeher beobachten und beargwöhnen sich Frankreich und Italien: Wer ist besser, schöner, reicher und auch einflussreicher?
Neckisch, oder? In der US-Zeitschrift «Hollywood Reporter» liess sich Gualtieri aber mit Worten zitieren, die tief blicken lassen: «Hat Präsident Macron nichts Besseres zu tun? In der Ukraine und im Nahen Osten herrscht Krieg, in den USA tobt ein fürchterlicher Hurrikan.»
Der angesäuerte Unterton zeigt: Die Rivalität zwischen Rom und Paris ist kein blosser PR-Stunt. Sie hat sogar lange Tradition, wie unser Korrespondent in Rom berichtet: «Seit jeher beobachten und beargwöhnen sich Frankreich und Italien: Wer ist besser, schöner, reicher und auch einflussreicher?»
«Es ist kein Geheimnis, dass die Beziehung zwischen Frankreich und Italien nicht gerade rosig ist», bestätigt Mirjam Mathis aus Paris. Das zeige sich etwa in Migrationsfragen. Als Nabel der Welt betrachtet man Italien aber nicht. «Dafür ist das hiesige Selbstbewusstsein ausgeprägt genug. Man glaubt schon, dass man in einer anderen Liga spielt als Italien.»
«Man hat hier das Gefühl, permanent die Nummer zwei auf dem Rücken zu tragen», schliesst der Italien-Korrespondent von SRF. Umso lustvoller stichelt man zurück, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Auch wenn Rom – ebenso wenig wie Paris – auf «Emily-Werbung» angewiesen ist.
Podcast News Plus: Dominik Brand (Host) und Marisa Eggli (Produzentin)
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