Wenn es um die Türkei geht, äussert sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg entweder sehr lobend oder, wenn er Kritisches anmerkt, sehr dezent: «Die Türkei ist ein wichtiger Alliierter. Das zeigt allein schon der Blick auf die Weltkarte.»
Die Türkei deckt die Südostflanke ab, die Grenze zum turbulenten Nahen Osten. Nur zaghaft sagt Stoltenberg, die Nato sei wenig erbaut über das militärische Engagement der Türkei in Syrien. Oder die zunehmende türkische Anlehnung an Russland.
Bislang erfolglose Versöhnungsgespräche
Erst recht unglücklich ist man bei der Nato, dass sich derzeit die beiden Nato-Mitglieder Türkei und Griechenland um Territorien und Rohstoffreserven im östlichen Mittelmeer zanken.
Der Konflikt droht sogar, eine militärische Wendung zu nehmen. Hinter den Kulissen laufen am Nato-Sitz in Brüssel und mit der Nato als Vermittlerin intensive Versöhnungsgespräche. Bisher ohne Erfolg.
Jamie Shea war früher Chefsprecher der Nato, später in deren Chefetage eine Art «graue Eminenz». Heute lehrt er an diversen Universitäten und ist bei der Denkfabrik Friends of Europe tätig.
Für ihn ist klar: Wären Griechenland und die Türkei nicht Nato-Mitglieder, hätte es zwischen den beiden Nationen längst geknallt: «Die Nato dient als Stossdämpfer», sagt er.
Schon mehrfach wäre der griechisch-türkische Dauerkonflikt eskaliert, wenn nicht beide Länder zum selben Bündnis gehörten. Shea widerspricht jenen, die finden, die Türkei passe gar nicht mehr in die westliche Allianz, auch wegen der gravierenden Demokratie- und Rechtsstaatsdefizite.
Nicht nur lupenreine Demokratien
«In der Nato-Geschichte hat es immer wieder wenig demokratische Mitgliedsländer gegeben», sagt er. Er nennt etwa das lange diktatorisch regierte Portugal oder Griechenland zur Zeit der Militärjunta.
Überhaupt gelte: Es sei immer noch besser, ein schwieriges, aber mächtiges Land wie die Türkei als Partner drin zu haben denn als Störefried und Feind draussen. Ausserdem leiste Ankara Wertvolles für die Allianz: in Afghanistan, in Irak, im Kampf gegen die Terrormiliz IS, als Standort von Basen für Nato-Einsätze.
Erschwerend kommt für die Nato hinzu, dass der griechisch-türkische Konflikt auch die übrigen Mitglieder spaltet. Während Frankreich stramm an der griechischen Seite steht, versucht Deutschland zu vermitteln. Für Shea wäre es deshalb leichter, den Konflikt zu schlichten, wenn sich nicht andere Staaten einmischen würden.
Ohne Stabilität keine Milliarden
Dennoch traut der frühere Nato-Spitzenbeamte der Allianz zu, zumindest die völlige Eskalation des Konflikts zu verhindern. Die Nato habe Streitschlichtungsmechanismen und militärische Mittel.
Mit Luftüberwachung im östlichen Mittelmeer, mit Schiffen als Puffer vor Ort, könne sie zumindest direkte militärische Zusammenstösse zwischen Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen der beiden Länder verhindern. Komme es dennoch zu heiklen Zwischenfällen, könne die Nato sie untersuchen und so Druck herausnehmen.
Stets in der Hoffnung, dass man in Athen und Ankara bald einsieht, dass ohne eine Beilegung des Konflikts keines der beiden Länder von den Rohstoffreserven im Meer profitiert. Denn ohne Stabilität investiert dort kein Rohstoffkonzern Milliarden.