In Peru sind fast alle Stimmen der Präsidentenwahl ausgezählt. Doch noch immer ist nicht sicher, wer die Wahl gewonnen hat.
Klar ist einzig, dass sie zwischen dem marxistischen Kandidaten Pedro Castillo und der rechten Politikerin Keiko Fujimori entschieden wird. Derzeit liegt Castillo mit 50.2 Prozent der abgegebenen Stimmen vorn. Das sind nur wenige zehntausend Stimmen Unterschied.
Zehntausende umstrittene Stimmen
Und es dürfte zu weiteren Verzögerungen kommen: Gegen rund 250'000 Stimmzettel ist Einspruch erhoben worden. Bei ihnen fehlt etwa die Unterschrift des Wahlhelfers oder sie ist unleserlich, wie Sandra Weiss erklärt. Die umstrittenen Stimmzettel müssten jetzt vom Wahlgericht geprüft werden.
Trotzdem hat sich Castillo inzwischen zum Wahlsieger ausgerufen, seine Anhänger belagern jetzt auch das Wahlgericht. Fujimori ihrerseits spricht von einem grossangelegten Betrug, ohne aber wirklich stichhaltige Beweise vorzulegen.
«Es sieht so aus, dass der Streit letztlich vom Gericht entschieden werden muss», so Weiss. Weder Castillo noch Fujimori seien bereit einzulenken.
Angespannte Lage in Peru
«Die Lage in Peru ist sehr angespannt – in den sozialen Medien kursieren die wildesten Gerüchte», sagt Weiss. So sei eine Fake-news verbreitet worden, gemäss welcher Castillos Parteichef dazu aufgerufen habe, die Luxuswohnungen in Lima zu besetzen und an die Armen zu verteilen.
Die verworrene Lage könnte sich durchaus weiter zuspitzen, befürchtet die Journalistin: «Es besteht die Gefahr von blutigen Zusammenstössen auf den Strassen.»
Bereits vor einigen Monaten kam es zu Gewalt, als tausende Peruanerinnen und Peruaner gegen die Absetzung des Interimspräsidenten durch den Kongress demonstrierten. Die Polizei griff rigoros durch, es gab zahlreiche Todesopfer und viele Verletzte.
Unbeliebte Politikerinnen und Politiker
Wie die breite Bevölkerung nun reagieren werde, sei allerdings schwierig abzuschätzen, sagt die Korrespondentin. «Die Peruaner haben die Schnauze ziemlich voll von ihren Politikern.» So hätten in der ersten Runde der Präsidentenwahl, als noch andere Kandidatinnen und Kandidaten angetreten waren, weder Castillo noch Fujimori mehr als 20 Prozent der Stimmen erhalten.
60 Prozent der abgegebenen Stimmen in der ersten Wahlrunde gingen also an andere Kandidaten. «Das zeigt: Beide verfügen über eine bloss schmale Basis im Volk, was eher dafür spricht, dass die Peruaner weder für Castillo noch für Fujimori auf die Strasse gehen werden.» Die Menschen wollten nur eins: endlich raus aus der Wirtschafts- und Pandemiekrise.
Sechs Ex-Präsidenten angeklagt oder verurteilt
Peru befinde sich in einer sehr schwierigen Lage – nicht nur wegen der Pandemie und der Wahl-Hängepartie, so Weiss. «Das Land schleppt viele Altlasten mit sich: eine immense Korruption über Jahrzehnte, eine extreme Ungleichheit in der Bevölkerung und ein völlig kollabiertes Parteiensystem.»
Allein die Tatsache, dass sechs ehemalige Präsidenten Perus sich entweder im Gefängnis befinden, sich der Verhaftung durch Selbstmord entzogen haben oder ins Ausland geflüchtet sind, veranschauliche die Misere. «Das Vertrauen zwischen den Bürgern und den Politikern ist völlig zerrüttet.» Es gebe kaum noch Instanzen im Land, welche in Krisen vermitteln oder sie wenigstens abfedern könnten.