Einige Länder verlangen einen Coronatest für Reisende aus China. Dort schiessen derzeit die Coronazahlen durch die Decke, nachdem die Regierung ihre Null-Covid-Politik abrupt beendet hatte. Epidemiologe Christian Althaus ordnet die Regelung ein.
SRF News: Warum müssen Reisende aus China unter anderem in Italien, USA und Japan negative Coronatests vorweisen?
Christian Althaus: Das Problem ist, dass es derzeit wenig gute Daten über die Corona-Situation in China gibt. Und China tut sich schwer, die geforderte Transparenz zu gewährleisten. Sporadische Tests für Reisende aus China könnten zum einen helfen, mehr über die regionale Ausbreitung des Virus in China zu erfahren. Zum anderen ist es sinnvoll, weltweit eine gute genomische Überwachung zu haben, um auf mögliche neue Virusvarianten vorbereitet zu sein – doch die müssen nicht zwingend in China auftreten. Ich halte es sogar für eher unwahrscheinlich, dass eine neue, gefährliche Variante, die unserer Immunantwort entweicht, ausgerechnet in China auftritt. Eine solche Variante dürfte wohl eher in anderen Ländern auftreten, wo bereits viele Menschen mit dem Virus infiziert wurden.
Ich kann es nicht nachvollziehen, warum gewisse Länder die Reisenden aus China testen wollen.
Es kann dennoch sinnvoll sein, bei einzelnen infizierten Reisenden eine genomische Sequenzierung zu machen, um Anhaltspunkte zu haben über die Zirkulation der Varianten in China. Der Aufwand dafür ist aber verhältnismässig hoch und ich halte es nicht für zielführend, wenn man alle Reisenden aus China testet.
Warum tun es einige Länder dann trotzdem?
Ich persönlich kann es nicht nachvollziehen, warum gewisse Länder Reisende aus China grossflächig testen wollen. Mir sind auch keine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bekannt, die sich dafür ausgesprochen hätten. Das Coronavirus zirkuliert in praktisch allen Ländern der Welt sehr stark. Das Virus wird langsam endemisch, das heisst, es wird weiter zirkulieren auf relativ hohem Niveau. Ob nun einzelne Reisende aus China das Virus nach Europa bringen, spielt für die lokale Dynamik keine Rolle. Von daher sehe ich weder epidemiologische Gründe noch einen gesundheitlichen Nutzen, alle Reisende zu testen.
Wie hätte China denn die aktuelle Coronawelle verhindern können?
Man wusste bereits zu Beginn der Pandemie, dass sich eine solche virale Atemwegserkrankung kaum ausrotten lässt. Deshalb haben viele Länder mit Corona-Massnahmen versucht, die Ausbreitung gering zu halten, bis die Impfstoffe entwickelt wurden, um danach die Bevölkerung zu impfen und die Massnahmen langsam zu lockern.
Das wäre auch der naheliegende Weg für China gewesen, doch sie haben bis jetzt darauf verzichtet. Nun ist ein Punkt erreicht, wo sich das Virus unkontrolliert verbreitet und innerhalb kurzer Zeit auf eine Bevölkerung trifft, welche immunologisch ungenügend geschützt ist. Wenn China die Bevölkerung über die letzten beiden Jahre besser geimpft und die Lockerungen sukzessive gemacht hätte, dann hätte die aktuelle Situation verhindert werden können.
Was kommt in den nächsten Wochen auf China zu?
Die Frage ist, ob es eine grosse landesweite Welle gibt, bei der sich ein Grossteil der Bevölkerung infiziert oder ob es mehrere Infektionswellen geben wird, wie das in anderen Ländern der Fall war. Auch in China ist nun das Winterhalbjahr, wo sich Atemwegserkrankungen sehr gut ausbreiten können. Das Virus wird weiterhin stark zirkulieren und zu einer hohen Belastung des Gesundheitssystems und einer hohen Übersterblichkeit führen in China. Daran führt aktuell kein Weg vorbei.
Das Gespräch führte Saya Bausch.