Zum Inhalt springen
Audio
Der Holocaust im familiären Gedächtnis - eine Ausstellung
Aus Echo der Zeit vom 13.11.2024. Bild: Jüdisches Museum Wien
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 20 Sekunden.

Holocaust-Ausstellung in Wien So gehen jüdische Künstler mit dem vererbten Trauma um

In Wien ist zu sehen, wie sich die aktuelle Generation offensiv und öffentlich mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzt.

Sabina Apostolo ist eine der Kuratorinnen der neueröffneten Ausstellung im jüdischen Museum in Wien. Sie beginnt den Rundgang bei einigen scheinbar unverfänglichen Schwarz-Weiss Fotos, die einen Weingarten im Winter zeigen. «Es könnte durchaus ein Sujet für österreichische Werbung sein», sagt sie. Ist es aber nicht.

Schnee bedeckte winterliche Weinberge in der Landschaft.
Legende: Winterlicher Weinberg oder Appellplatz im KZ? Dan Glaubach

Die Fotos stammen von Dan Glaubach, Sohn und Enkel von Holocaust-Überlebenden, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nach Palästina emigriert und dann nach Europa in die Nähe von Wien zurückgekehrt sind. «Er hat in diesen winterlichen, dünnen, streng aneinander gereihten Weingärten einen Appellplatz im KZ gesehen.»

Künstlerischer Umgang mit dem Trauma der Grosseltern

Wie Traumata vererbt werden, ist ein grosses Thema in der Psychologie. Und wie die Enkel damit umgehen, in diesem Fall künstlerisch, ist Thema der Ausstellung «Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis». Die erste Generation habe geschwiegen und die zweite nicht gefragt, sagt die Kuratorin.

Die dritte Generation lässt sich jetzt die Haftnummer der Grosseltern tätowieren.
Autor: Sabina Apostolo Kuratorin der Ausstellung «Die Dritte Generation» in Wien

Bei der dritten Generation sei das anders, sagt Apostolo. Sie fragten die Grosseltern, die jetzt auch antworten würden. Auch sei die junge Generation stolz auf ihre Grosseltern: «Die dritte Generation lässt sich jetzt sogar die Haftnummer der Grosseltern tätowieren – eine doppelte Provokation, weil es im Judentum verboten ist, sich tätowieren zu lassen.»

Die Geschichte wird von der dritten Generation quasi neu interpretiert. Und manchmal wird sie in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit freigelegt.

Münze mit Davidstern und Hakenkreuz

Als etwa der Regisseur Arnon Goldfinger und seine Geschwister den Besitz der verstorbenen Grossmutter räumten, entdeckte er nicht nur, dass ihre Wohnung in Tel Aviv genau gleich wie die frühere in Berlin eingerichtet war.

Die Nazis wollten die Juden vertreiben und berauben, die Zionisten wollten, dass möglichst viele Juden nach Palästina emigrieren.
Autor: Sabina Apostolo Kuratorin der Ausstellung «Die Dritte Generation» in Wien

Er fand auch verschiedene Exemplare der Nazi-Zeitschrift «Der Angriff» mit der Artikelserie «Ein Nazi reist nach Palästina». Zudem fand er eine Münze, in die auf einer Seite ein Davidstern, auf der anderen ein Hakenkreuz geprägt gewesen ist.

Goldfinger fand dann heraus, dass seine Grosseltern mit dem SS-Offizier Leopold von Mildenstein befreundet gewesen waren. Dieser war ein Vorgänger von Adolf Eichmannn, dem späteren Organisator des Holocaust.

Juden reisen mit dem Nazi durch Palästina

Goldfingers Grosseltern waren 1936 als Zionisten von Berlin nach Palästina emigriert und hatten den SS-Offizier auf jener beschriebenen Reise durch Palästina begleitet. Sogar nach dem Krieg waren sie noch mit dem Nazi befreundet.

Doch was hatte es mit der Münze mit Davidstern und Hakenkreuz auf sich? Anfang der 1930er-Jahren hätten Nazis und Zionisten eigentlich dasselbe gewollt, sagt Apostolo: «Die Nazis wollten die Juden vertreiben und berauben, die Zionisten wollten, dass möglichst viele Juden nach Palästina emigrieren.»

Der Regisseur drehte dann einen Film darüber. Aber er war sich nicht sicher, ob das seinen Grosseltern recht war.

Für viele blieb Deutschland trotzdem Heimat

Paradox ist auch, dass in den 2010er-Jahren viele Juden nach Berlin zogen, in die Hauptstadt der Täter von damals. Denn für viele Holocaust-Überlebenden blieb Deutschland irgendwie Heimat, obwohl es auch Heimat der Mörder war. Und das vererbte sich.

Die Ausstellung in Wien fokussiert sich zwar auf die dritte Generation von Holocaust-Überlebenden. Doch sie gilt auch universell – für die Vererbung von und den Umgang mit Traumata.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel