Die belgische Regierung hat sich mit den Regionen über die umstrittenen Punkte des Handelsabkommen zwischen EU und Kanada geeinigt. EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach von «guten Nachrichten». Er wolle aber erst den kanadischen Premierminister Justin Trudeau für die Unterzeichnung von Ceta kontaktieren, wenn «alle Prozeduren abgeschlossen sind», teilte er via Twitter mit.
SRF News: Wer geht als Sieger aus diesen Verhandlungen hervor?
Oliver Washington: Es sieht danach aus, dass Walloniens sozialistischer Regierungschef Paul Magnette seinen beschränkten Spielraum doch ziemlich gut hat ausnützen können. Er konnte zwei oder drei Forderungen deponieren und durchbringen. Dazu zählt die Schutzklausel bei der Landwirtschaft oder die Forderung, dass Belgien das umstrittene Investitionsschutzgericht vor den Europäischen Gerichtshof bringen muss. Offensichtlich war die belgische Regierung bereit, diese Forderungen zu akzeptieren. Der Druck von Seiten der anderen EU-Staaten, sich zu einigen, war sehr gross.
Belgien sagt, so lange dieses Schiedsgericht drin bleibt, können wir dieses Abkommen nicht ratifizieren. Ist das verhandelbar?
Das ist die grosse Frage. Das Vorgehen der belgischen Regierung ist doch sehr ungewöhnlich. Ich habe mit verschiedenen namhaften Experten telefoniert. Sie alle finden das ungewöhnlich. Normalerweise sagen Länder mit ihrer Unterschrift unter einen Vertrag, dass sie das, was sie nun unterschreiben, auch ratifizieren werden. Die Belgier aber sagen, wir unterschreiben zwar, aber wir wissen nicht, ob wir es auch ratifizieren können.
Das Abkommen könnte teilweise vorzeitig in Kraft gesetzt werden. Aber möglicherweise würde es nie ratifiziert.
Was wäre, wenn die anderen EU-Länder das akzeptieren würden?
Sie könnten so das Abkommen unterschrieben und es könnte so teilweise vorzeitig in Kraft gesetzt werden. Aber möglicherweise würde es nie ratifiziert. Deshalb wäre es ein ungewöhnlicher Vorgang: Es wäre teilweise in Kraft, aber nicht ratifiziert. Das Absurde an dieser Geschichte ist: Als die EU und Kanada die Verhandlungen 2009 aufnahmen, enthielten die Verhandlungsmandate kein Investitionsschutzgericht. Die EU kam später mit einem revidierten Mandat und wollte dieses Gericht noch hineinnehmen. Und ausgerechnet dieses Gericht beschert nun der EU derart grosse Probleme.
Hat Brüssel eine Vorstellung davon, wie es die Differenzen in Freihandelsabkommen in Zukunft lösen will?
Es gibt Ideen dafür. Die Probleme sind entstanden, weil es ein so genannt gemischtes Abkommen ist. Die Verhandlungen betreffen die Kompetenzen der EU und auch der Mitgliedstaaten. Deshalb müssen sowohl die EU-Organe als auch die Mitgliedstaaten dieses Abkommen ratifizieren. Ein Beispiel: Das Abkommen sieht die Liberalisierung von Meeresdienstleistungen vor, also des Schiffsverkehrs. Hier ist die EU für die Lotsen zuständig, die das Schiff in den Hafen lotsen, während die einzelnen Länder für diejenigen Leute zuständig sind, die das Schiff im Hafen anbinden. Das Ziel wäre, dass man diese beiden Bereiche separat verhandelt, dass die EU nur noch Abkommen in Bereichen aushandelt, die wirklich in ihre Kompetenz fallen. Dann könnten die EU-Organe solche Abkommen für sich aushandeln, ratifizieren und es würde alles sehr viel einfacher machen.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.