«Wutwahl», «Ende der 2. Republik», «Polit-Tsunami»: Österreichs Gazetten geizten nicht mit dramatischen Titeln. Die Niederlage von Rot und Schwarz sei nicht ein blosser Protest gegen die beiden Regierungsparteien, sondern darin zeige sich der tiefe Wunsch eines Grossteils der Bevölkerung auf ein Leben ohne die ewige Grosse Koalition.
Doch wenn man den Reaktionen von Spitzenvertretern der beiden Parteien zuhört, merkt man, dass sie dies noch immer nicht gehört haben. Sicher sei das Resultat eine Warnung, meinte SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Deshalb werde man jetzt härter arbeiten. Kein Wort zum Hüst und Hott in der Flüchtlingsfrage, kein Wort zur der Wut der eigenen Wählerschaft über Bankenrettungen einerseits und Reallohnverlusten sowie hoher Arbeitslosigkeit andererseits.
SPÖ-Generalsekretär Gerhard Schmid ortet nur Kommunikationsprobleme: «Wir müssen zu den Menschen, die einen ganzen Monat lang hart arbeiten, um sich einen bescheidenen Lebensstandard leisten zu können, einen besseren Kontakt herstellen. Das ist die grosse Herausforderung, der wir uns stellen müssen.»
Personelle Konsequenzen werde es nicht geben, so Schmid. Wenn Parteimitglieder dies forderten, seien das Einzelmeinungen. Schliesslich habe die gestrige Wahl nichts mit der Regierung zu tun, die Regierungspolitik sei nicht zur Wahl gestanden.
Die ÖVP gibt Umfragen schuld
Ähnlich tönt es beim konservativen Koalitionspartner. Mit personellen Konsequenzen löse man keine Probleme, sagte Vizekanzler und ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner. Zudem hätten die Bürgerinnen und Bürger zum Teil überzogene Erwartungen an die Politik. Und auch Mitterlehner sieht vor allem ein Kommunikationsproblem. «Sicherlich geht es darum, einen Relaunch, was die Art und Weise des Auftretens der Regierung betrifft, zu lancieren aber auch was die Inhalte betrifft. Es wird nicht mehr sehr viele Chancen dazu geben.»
Nur haben ÖVP und SPÖ in den letzten Monaten praktisch nach jeder Wahlniederlage in den Bundesländern einen Neustart angekündigt. Geschehen ist mindestens in den Augen der Wählerinnen und Wähler nichts. Und so gibt es kein einziges Bundesland mehr, wo einer der Kandidaten der Regierungsparteien am Sonntag an der Spitze lag, weder im konservativen Westen des Landes noch im roten Wien.
Die Gründe dafür will man genau analysieren. Schneller war man mit der Schuldzuweisung für die Niederlage. Man sei Opfer der Meinungsumfragen geworden, meinte etwa der ÖVP-Parteichef. Meinungsumfragen und Kommunikationsprobleme seien also schuld, aber sicher nicht eine falsche Politik. Mehr Realitätsverweigerung ist fast nicht mehr möglich.