Ein weiteres Treffen zwischen der Ukraine, Russland und prorussischen Separatisten aus der Ost-Ukraine ist ohne Ergebnisse verlaufen. Das frustriert auch die offizielle Schweiz mit dem aktuellen Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Woran es harzt, skizziert Wolfgang Zellner im Interview mit SRF. Er ist Vizedirektor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).
SRF: Die Fronten im Ukraine-Konflikt sind verhärtet. Was kann die OSZE als Vermittlerin überhaupt noch ausrichten?
Wolfgang Zellner: Die OSZE kann natürlich die beiden Seiten nicht zu einem Kompromiss oder Waffenstillstand zwingen, aber sie kann eine Plattform anbieten. Das macht die vom Schweizer OSZE-Vorsitz geschaffene Kontaktgruppe. Diese Plattform ist ganz wichtig für den Augenblick, wo die beiden Seiten lösungsbereit sind. Das ist im Moment nicht der Fall.
Also immer wieder Gelegenheiten bieten, um dann im richtigen Moment vor Ort zu sein?
Genau. Im Moment ist die Lage aber ausserordentlich schwierig. Man kann nicht mehr von pro-russischen Separatisten sprechen. Es sind russische Kräfte, die in der Ostukraine kämpfen und diese sind auf dem Vormarsch. Genau in solchen Zeiten der immer höheren Eskalation ist es wichtig, dass Gesprächsfäden da sind. Der Schweizer OSZE-Vorsitz hat diesbezüglich ganz Grossartiges geleistet.
Was sind die bisherigen Verdienste des Schweizer OSZE-Vorsitzes?
Der Schweizer OSZE-Vorsitz hat es geschafft, am 21. März ein Mandat für die besondere Beobachtungsmission hinzubekommen. Diese ist jetzt mit mehreren hundert Beobachtern in der Ukraine präsent. Das war keineswegs selbstverständlich. Auch hat die Schweiz besondere Beauftragte eingesetzt und einen runden Tisch etabliert. Die OSZE hat zugleich mit einer grossangelegten Wahlbeobachtung die Legitimität der Wahl von Präsident Petro Poroschenko sichergestellt.
Man hat also immer wieder Teilerfolge erzielt durch die Fülle der Massnahmen. Dass der Konflikt bisher nicht gelöst ist, liegt weder an der Schweiz noch an der OSZE. Es liegt vielmehr daran, dass Russland es bisher nicht zugelassen hat und offenbar auf einen militärischen Teilsieg aus ist.
Wird es also einfach so weitergehen mit dem Kämpfen, gefolgt von Wirtschaftssanktionen aus dem Westen?
Wir wissen nicht, welche militärischen Ziele Wladimir Putin hat. Bis Anfang August sah es so aus, als ob die ukrainischen Streitkräfte Rebellen und russische Kräfte zurückschlagen könnten. In den letzten Wochen hat sich das Blatt gewendet. Die Russen sind auf dem Vormarsch und die ukrainischen Kräfte eingeschlossen. Die grosse Frage ist nun, ob Russland einen Landkorridor zwischen der Ostukraine und der Krim erobern will. Das wäre eine neue Qualität und Eskalation und eine weitere Annexion von Teilen der Ukraine.
Wie müsste in einem solchen Fall reagiert werden?
Solange der Westen die Ukraine nicht militärisch unterstützt, hat Russland auf der militärischen Ebene die besseren Karten. Die westlichen Sanktionen mögen zwar eines Tages wirken, aber das dauert Wochen und Monate und möglicherweise Jahre. Entsprechend hat Russland kurzfristig die militärische Handlungsfreiheit am Boden und kann tun, was es will. Ich erachte es zugleich als richtig, dass der Westen militärisch nicht eingreift. Denn ein militärischen Eingreifen – auch grössere Waffenlieferungen an die Ukraine – würde bedeuten, dass wir faktisch mit Russland im Krieg sind.
Das Interview führte Susanne Schmugge
(brut/amka)