Der ehemalige Star des konservativen US-Senders Fox News, Tucker Carlson, hat in Moskau Kremlchef Wladimir Putin interviewt. Russland-Korrespondent Calum MacKenzie ordnet das Interview für SRF ein.
Worum geht es beim Interview?
Der rechte US-Moderator Tucker Carlson hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin interviewt. Es ist Putins erstes Interview mit einem westlichen Journalisten seit 2019. Das zweistündige Interview wurde auf der Plattform X publiziert.
Was sagt Putin?
Ganz zu Beginn des Gesprächs fragt Carlson Putin nach den Beweggründen für den Krieg gegen die Ukraine, ob dahinter die Angst vor einem Angriff der USA auf Russland gestanden habe. Stattdessen antwortet Putin mit einem Vortrag, der mehr als 1000 Jahre osteuropäischer Geschichte umfasst. Mit abenteuerlichen Thesen versucht er darzulegen, dass Russland ein historisches Anrecht auf ukrainisches Gebiet habe. Die Lektion dauert rund eine halbe Stunde und lässt Carlson etwas ratlos zurück.
Geht es nur um Geschichte?
Später geht es auch um das Hier und Jetzt, wobei der russische Präsident wenig Neues erzählt und bei bekannten Kreml-Parolen bleibt, die teilweise schon mehrfach widerlegt wurden. Die Ukraine sei bereit gewesen, russische Friedensbedingungen anzunehmen, kämpfe aber «auf Anweisung des Westens» weiter. Eine Niederlage Russlands auf dem Schlachtfeld sei «per Definition unmöglich», so Putin. Auf Anfrage Carlsons sagt Putin, ein Angriff Russlands auf Polen oder Lettland sei «ausgeschlossen». Allerdings schloss der Kreml vor der Grossinvasion der Ukraine auch mehrmals einen Angriff auf jenes Land aus.
Weshalb sprach Carlson mit Putin?
Carlson, der dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump nahesteht, vertritt häufig pro-russische Positionen und kritisiert die westliche Unterstützung der Ukraine. Im Vorfeld behauptete er, kein westlicher Journalist habe versucht, mit Putin direkt über den Krieg zu sprechen. Das ist jedoch falsch. Wie der Kreml diese Woche selbst bestätigte, erhält Putin viele Anfragen von westlichen Medien, habe diese aber bisher abgelehnt.
Warum gab Putin das Interview?
Carlson wird seit langem im russischen Staatsfernsehen für seine pro-russischen Ansichten gelobt, seine Ankunft in Moskau hat in Russland für Aufregung gesorgt. Das grosse Interview kommt Putin im Wahlkampf gelegen. Aber vor allem war es für ihn eine Gelegenheit, seine Ansichten unhinterfragt einem westlichen Publikum darzulegen – Carlson hakte kaum kritisch nach. Seit einiger Zeit hofft Putin, im Westen Zweifel an der Ukraine-Hilfe zu säen, damit das Land schutzlos dasteht. So sagte Putin Carlson, die Waffenlieferungen müssten aufhören, bevor es ein Ende der Kämpfe geben könne.
Was lernen wir aus dem Gespräch?
In seiner Einleitung zum Interview lässt Carlson durchblicken, dass er von Putin eine Kritik der Nato-Expansion als Ursache des Krieges erwartete – diese Version passt zu Carlsons Weltbild. Putins Geschichtslektion offenbart, dass für den Kreml-Chef der historische Revanchismus im Vordergrund steht. Das Interview zeigt einmal mehr, dass Putin seiner eigenen nationalistischen Propaganda glaubt.