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Israel und Gaza «Es zeichnet sich vorsichtiger Optimismus ab»

Einigen sich Israel und die Hamas bald auf einen Waffenstillstand? Eine Einschätzung von Journalistin Andrea Krogmann.

Seit Monaten laufen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Streifen und über die Freilassung der Geiseln. Nun aber soll es bei Gesprächen in Kairo und Doha in einem wichtigen Punkt eine Annäherung gegeben haben. Ein Regierungsvertreter der USA sagte, die Hamas verzichte nun auf die Forderung, dass sich die israelischen Truppen ganz zurückziehen, als Voraussetzung für einen weiteren Schritt.

Andrea Krogmann

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Andrea Krogmann lebt und arbeitet als Korrespondentin u.a. für die Katholische Nachrichtenagentur in Jerusalem. Vor kurzem ist ihr (Blog-)Buch «(Un-)Heiliges aus dem Heiligen Land» erschienen.

 SRF News: Was weiss man über die aktuellen Gespräche zwischen Israel und der Hamas?

Andrea Krogmann: Insgesamt wissen wir wenig Offizielles. Israel hat bestätigt, dass es eine Delegation von Geheimdienst und Armee nach Kairo schickt. Von US-Präsidenten Joe Biden haben wir gehört, dass es Fortschritte in den Verhandlungen gibt, dass aber noch viele Details zu klären sind. Aber wenn man den Beobachtern glaubt, dann zeichnet sich vorsichtiger Optimismus ab. Mittlerweile wird dies von so vielen Seiten transportiert, dass es auch plausibel scheint.

Weshalb signalisiert die Hamas nun Entgegenkommen in diesem Punkt? Was erhofft sie sich davon?

Dazu gibt es verschiedene Interpretationen. Es gibt einmal die Interpretation, dass die Hamas darauf spekuliert, dass letzten Endes Israel den Deal sowieso platzen lässt.

Es sieht so aus, als hätte sich die Position Israels, namentlich des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, zusätzlich verhärtet.

Es gibt auch eine andere Stimme, die sagt, dass die Hamas mittlerweile so geschwächt sei, dass sie diesen Waffenstillstand braucht. Dafür sprechen auch die verstärkten Angriffe Israels in den letzten Tagen wieder auf Gaza-Stadt, auf den Norden des Gazastreifens.

Grosse zerstörte Wohnhäuser und zerstörte Gebäude, aus denen Rauch aufsteigt
Legende: Am 12. Juli bombardierte Israel Gaza-Stadt Keystone/Mohammed Saber

Zur Diskussion steht ein dreistufiger Plan von US-Präsident Joe Biden mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. Die erste Stufe sieht die Freilassung einiger Geiseln während einer sechswöchigen Waffenruhe vor. Was steht dem noch entgegen?

Es scheint, als sei ein dauerhafter Waffenstillstand immer noch der Hauptstreitpunkt. Es sieht aber auch so aus, als hätte sich die Position Israels, namentlich des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, zusätzlich noch verhärtet. Er hat am Sonntag vier Prinzipien aufgestellt, die aus israelischer Sicht eingehalten werden müssen. Dazu gehört der Punkt, dass Israel es sich offenhält, die Kämpfe wieder aufzunehmen, bis alle Kriegsziele erreicht sind. Und diese Kriegsziele sind ja unter anderem: die Freilassung aller Geiseln, die Rückführung auch der toten Geiseln sowie die komplette Zerschlagung der Hamas. Auch das ist ein Hauptpunkt in diesen Verhandlungen. Dann gab es noch Berichte, dass es Unstimmigkeiten über die Liste der freizulassenden Sicherheitsgefangenen gab. Aber auch da weiss man nichts Konkretes. Von uns kann das niemand unabhängig prüfen.

Wenn diese Koalition zerbricht, drohen manche Parteien in die politische Bedeutungslosigkeit zu versinken. Deswegen bleibt sie trotz aller Krisen bestehen.

Haben diese Verhandlungen Folgen für die rechts-religiöse Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu?

Die Koalition steht unter Druck. Netanjahu ist, wenn man so will, ein bisschen in der politischen Zwickmühle. Viele der Parteien haben eigene Interessen. Es gibt diejenigen, die diesen Krieg um jeden Preis weiterführen wollen. Und wechselweise drohen Koalitionspartner aus der Koalition auszusteigen.

Aus diesen Gründen ist die israelische Regierung zerstritten:

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  • Wehrpflicht für streng religiöse Juden: Bislang werden grösstenteils nicht in die Armee eingezogen.
  • Status von Rabbinern: Diesbezüglich ist ein Gesetz von den rechtsradikalen Koalitionspartnern blockiert worden.

Ich glaube, dass die Regierungskoalition deshalb nicht gefährdet ist, weil jeder der Beteiligten weiss, was auf dem Spiel steht. Wenn diese Koalition zerbricht, drohen manche Parteien in die politische Bedeutungslosigkeit zu versinken. Deswegen bleibt sie trotz aller Krisen bestehen.

Das Gespräch führte Iwan Liebherr.

Echo der Zeit, 12.07.2024, 18 Uhr ; 

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