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Ukraine-Krieg: Deutschland will Russland am Verhandlungstisch sehen
Aus Tagesschau vom 09.09.2024.
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Kanzler Scholz in der Krise Olaf Scholz und der Traum vom Friedenskanzler

Den Ort des ZDF-Sommerinterviews dürfen sich die Gäste in der Regel selbst aussuchen. Kanzler Scholz setzte sich am Sonntag auf die Terrasse von Albert Einstein. Der Vater der Relativitätstheorie hatte in der Nähe von Potsdam ein Sommerhaus – der letzte Wohnsitz in Deutschland, bevor der Jude Einstein 1933 in die USA emigrieren musste.

Die Botschaft von Scholz war klar: Einstein sei «ein Demokrat gewesen, ein Antifaschist, der gegen rechte Extremisten gekämpft» habe. Scholz war weise genug, es nicht auszusprechen – aber wohl meinte er mit Einstein auch ein bisschen sich selbst.

Angesichts der Wahlen in Thüringen und Sachsen, wo die AfD riesige Erfolge gefeiert hat, ist Scholz tatsächlich massiv in der Defensive. Einfache Antworten auf komplizierte Fragen kommen bei vielen Menschen an. Und jetzt ist für Scholz der letzte Moment, um einen AfD-Triumph auch in Brandenburg zu verhindern. Scholz will also kämpfen – und macht vor allem den Eindruck des Getriebenen. Gerade heute auch mit dem Entscheid nach umfassenden Kontrollen an allen Deutschen Grenzübergängen.

Mit Putin über Frieden verhandeln?

Nicht zufällig darum eben auch der Vorschlag, mit Russlands Präsidenten Putin über einen Frieden in der Ukraine zu verhandeln. Genau das fordert auch die AfD und die zweite Erfolgspartei in Deutschlands Osten, das «Bündnis Sahra Wagenknecht». Natürlich gibt es kaum jemanden, der einen Frieden in der Ukraine nicht befürworten würde – doch die Frage ist der Preis, den die Ukraine und damit alle Ukraine-Unterstützerstaaten bezahlen müssen.

Putin wird kaum von seinem Maximalziel, einer Kapitulation der Ukraine, abrücken. Und die ukrainische Seite betont stets: Frieden gebe es nur bei einer Rückgabe aller Gebiete, der Krim inklusive. Weiter voneinander entfernt können zwei Parteien kaum sein. Aber natürlich – und das ist wichtig zu sagen: Jeder Versuch sollte unternommen werden.

Unterstützung für Scholz schwindet

Als Friedenskanzler wird Scholz dennoch nicht wahrgenommen. Die CDU warnt bereits vor einem Diktatfrieden – Scholz wolle die Ukraine zu einem Waffenstillstand drängen, damit der Westen seine Unterstützung zurückfahren könne, warnt CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter.

Natürlich kommt es selten vor, dass die Opposition einen Kanzler lobt – aber auch im eigenen Lager wird die Unterstützung immer kleiner. In Berlins Hinterzimmern wird diskutiert: Ist Scholz noch der richtige Kanzler-Kandidat für die Bundestagswahl 2025? Sogar an der SPD-Basis hat Scholz keine Mehrheit hinter sich.

Regierung in der Krise

Auch in Brandenburg ist Scholz kein gern gesehener Gast mehr. Dort versucht SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke zu retten, was für die Sozialdemokraten zu retten ist. In zwei Wochen wird gewählt – bis dahin will Woidke den Kanzler nicht mehr in Brandenburg sehen, Schaden abwenden.

Scholz und seine Regierung stecken in einer existenziellen Krise. Die Wirtschaft schwächelt, sogar Volkswagen, die Migration macht fast drei Vierteln der Menschen Angst. In vielen Politikfeldern kann Scholz’ Ampel-Regierung keine Lösungen mehr präsentieren – sondern nur Streit und gegenseitige Vorwürfe.

Scholz will nun also kämpfen, verständliche Botschaften senden. Doch in dieser Frage ist Einstein möglicherweise ein schlechter Ratgeber: Die Relativitätstheorie ist zwar ein wissenschaftliches Meisterstück, eine Jahrhundertleistung. Sie mit Worten zu erklären jedoch schwierig bis unmöglich. So wird das nächste Interview wohl eher nicht auf Einsteins Terrasse stattfinden.

Stefan Reinhart

Leiter Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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SRF 1, 9.9.2024, 12:45 Uhr;schn

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