Zum Sommerfest der AfD in Erfurt, eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen, sind viele junge Menschen gekommen. Einige stehen an für ein Selfie mit AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke. Dieser lässt sich feiern wie ein Popstar und kommt gut an bei den Jungen.
Bereits bei den Europawahlen im Juni konnte die AfD besonders bei den 16- bis 24-Jährigen Stimmen gewinnen. Auch damals waren es häufiger Jugendliche in den ostdeutschen Bundesländern, erklärte der deutsche Politikwissenschaftler Gero Neugebauer in einem SRF-Interview. Oftmals Jugendliche, die durch ihre Sozialisation darauf geeicht sind, misstrauisch gegenüber dem Staat zu sein. «Es sind wesentlich mehr männliche Jugendliche mit formal geringer Bildung, die in den Dörfern hängenblieben, von der Stütze, Oma oder gelegentlicher Schwarzarbeit leben.»
Sorgen um Zukunft und fehlende Perspektiven
Warum junge Menschen eine Partei wählen, welche der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, zeigt auch ein Blick nach Jena in Thüringen. Dort sind die Landtagskandidaten der Stadt eingeladen. Schülerinnen und Schüler sollen die Parteien und ihre Programme besser kennenlernen.
Für die AfD-Kandidatin interessieren sich besonders viele. Fast jeder zweite Schüler wählte bei einer internen Schulwahl die AfD. Aus Angst vor Ausländerkriminalität etwa, sagen einige, auch wenn die in Jena gar nicht so hoch sei. «Im Osten ist es vielleicht nicht allzu unselig wie im Westen. Jedoch berührt es einen schon, wenn man sich nicht mehr sicher fühlt», sagt ein Schüler.
Kriminalität, Migration, Inflation – viele junge Menschen im Osten machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Dass die AfD teilweise als rechtsextreme Partei eingestuft wird, stört wenige ihrer Unterstützer.
Auf den Strassen sorgen junge Rechtsextreme mancherorts für Spannungen, beispielsweise in der Kleinstadt Döbeln in Sachsen. Ocean Hale Meissner sei mehrmals auf offener Strasse angefeindet worden und habe auch schon Morddrohungen im Briefkasten gehabt, erzählt der LGBTQ-Aktivist. «Das sind leider Realitäten, die man hier im sächsischen Hinterland eingehen muss, wenn man sich zu queerem Aktivismus oder Antifaschismus bekennt.»
Rechtsextremes Gedankengut ist auch im öffentlichen Raum sichtbar. Auf einem lokalen Flohmarkt werden Blechschilder mit NS-Propaganda verkauft. Gerade unter jungen Menschen sei das beliebt, sagt Ocean Hale Meissner. «Aktuell ist es grad modern und voll normal, sich solche rechten Sachen in die Garage oder ins Wohnzimmer zu hängen.» Dass die AfD im Osten stark ist, hat auch mit mangelnden Perspektiven für junge Menschen zu tun.
Jugend erhofft sich ein besseres Leben
Würde man nur die Stimmen der Jungen berücksichtigen, hätte die AfD in Thüringen mit 23 Prozentpunkten Vorsprung auf die nächste Partei gewonnen, in Sachsen mit 14. Welche Lösungen erhofft sich die ostdeutsche Jugend nun von der extremen Rechten?
«Sie erhoffen sich ganz einfach ein besseres Leben, ein sicheres Leben, das sie durch Migration, Kriminalität und Islamismus bedroht sehen», erklärt SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser. «Sie erhoffen sich bessere Jobs, mehr Lohn und eine billigere Wohnung.» Zudem hole die AfD die Jungen dort ab, wo sie sind: auf Tiktok. «Keine Partei bespielt diesen Kanal virtuoser als die AfD.»