Das Pariser Klimaabkommen sei nicht fair, behauptete US-Präsident Donald Trump. Die USA würden zu stark belastet. Mit dieser Begründung hat der Präsident den Austritt seines Landes angekündigt. Kritiker hingegen finden, die USA müssten im Gegenteil noch viel mehr tun. Doch was heisst fair in diesem Zusammenhang? Die Frage beschäftigt an der Klimakonferenz in Bonn, unter anderem weil die Schweiz sie zum Thema gemacht hat.
Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoss bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Das sei fair, sagt Stefan Ruchti, Leiter der Sektion Nachhaltigkeit, Umwelt, Energie und Gesundheit im EDA und Mitglied der Schweizer Verhandlungsdelegation. Damit trage die Schweiz ihren Teil zu den globalen Bemühungen bei - einen Teil, der angemessen sei und den Möglichkeiten der Schweiz und ihrer Schuld in Bezug auf den Klimawandel entspreche.
Was genau fair ist, darüber seien sich die Länder aber nicht einig, sagt Stefan Ruchti: «Was Fairness ist, ist nicht so leicht fassbar. Von verschiedenen Staaten gibt es diesbezüglich grosse Zurückhaltung. Man will nicht von den anderen hören, was man selber korrekterweise beitragen sollte.»
Fair ist, die Erderwärmung zu beschränken
Fairness sei aber ein ganz zentraler Punkt in den weltweiten Klimaverhandlungen sagt auch Xolisa Ngwadla. Er gehört zur Verhandlungsdelegation von Südafrika und koordiniert die Aktivitäten zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens für alle afrikanischen Staaten:
Aus afrikanischer Sicht, sei es ein Gebot der Fairness, dass das Ziel, die Erderwärmung auf 1.5 Grad zu beschränken, erreicht werde. Steigen die Temperaturen stärker, so würden die afrikanischen Länder überdurchschnittlich darunter leiden, ist Ngwadla überzeugt.
Man dürfe aber nicht von allen Ländern das Gleiche erwarten. Afrikanische Länder kämpfen bereits mit der Armut und hätten viel weniger Geld für den Kampf gegen den Klimawandel als Industrieländer, betont der südafrikanische Klimadiplomat.
Jedes Land legt seine Ziele selbst fest
Das Pariser Klimaabkommen verlangt, dass die Lasten im Kampf gegen den Klimawandel fair verteilt. Gleichzeitig ist es jedem Land selbst überlassen seine Klimaziele festzulegen. Das sei ein gewisser Widerspruch, meint Stefan Ruchti vom EDA: «Andererseits wäre es nicht möglich gewesen, dass man ein Ziel festlegt und dass man das auf die Staaten aufteilt. Dorthin wären wir nie gekommen.»
Deshalb wurde – um das historische Abkommen möglich zu machen – die Fairness-Frage in Paris nicht abschliessend beantwortet. Doch spätestens dann, wenn erstmals über die bisherigen Anstrengungen der Länder Bilanz gezogen wird, sollten aber alle Länder ein gemeinsames Verständnis davon haben, was fair heisst. Es soll verhindert werden, dass gewisse Länder als Trittbrettfahrer von den Anstrengungen anderer profitieren. Der erste sogenannte Stocktake (engl. für Inventur), die erste Zwischenbilanz, ist für 2023 vorgesehen.
Wie soll man das messen?
Lucas Bretschger, Professor für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich, stellt fest, dass die Länder heute ihre klimapolitischen Anstrengungen unterschiedlich berechnen. Die einen vergleichen diese mit ihrer Wirtschaftskraft, andere mit ihrer historischen Schuld am Klimawandel. «Es gibt nicht unendlich viele Möglichkeiten, wie man das Thema anschneiden kann. Es gibt Bestrebungen von gewissen Ländern, dieses Thema zu vermeiden, weil es offenlegen würde, dass in der Klimapolitik noch zu wenig gemacht wurde.»
Technisch sei es aber möglich, die unterschiedlichen Berechnungsweisen vergleichbar zu machen, ist Bretschger überzeugt. Die Wissenschaft habe Methoden entwickelt, mit denen unabhängig von der Berechnungsweise klar wird, welche Länder eher hinterherhinken und welche vorne dabei sind in Sachen Klimaschutz. Nichtregierungsorganisationen publizieren bereits heute Ranglisten und stellen Klimasünder an den Pranger. In der Klimadiplomatie ist man diesbezüglich zurückhaltend.
Lucas Bretschger: «Dieses Jahr hat jedes Land dargelegt, was es selbst als fair empfindet. Aber diese Diskussion muss jetzt öffentlich werden, zwischen den Parteien und auch mit der Wissenschaft.»
Fairness ist auch für die Schweiz wichtig
Dem stimmt auch Xolisa Ngwadla zu. Er wünscht sich im Namen der afrikanischen Länder schon lange mehr verbindliche Regeln zur Fairness. Andere, zum Beispiel asiatische Länder, zeigen bisher wenig Interesse.
Die Diskussion wird sich weiter entwickeln müssen. Denn nur, wenn alle Länder die Ziele der anderen als fair empfinden, wird sich eine Mehrheit zu Verschärfungen der Klimaziele bewegen lassen. Gerade die Schweiz hat ein Interesse an transparenten und fairen Regeln. Ohne solche wird es auch bei uns schwierig, politische Mehrheiten für Verschärfungen der eigenen Klimaziele zu finden.