Worum geht es? Der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, hat sich wieder öffentlich zur AfD, der Alternative für Deutschland, geäussert. Die AfD ist eine Partei, die bereits vor mehr als einem Jahr vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde.
Was war zuvor? Haldenwang wurde am 1. August gerichtlich zu einer Stillhaltezusage bis am 6. August verpflichtet. Bis am 6. August lief die AfD-Europawahlversammlung. Haldenwang hatte im Vorfeld die Kandierenden kritisiert. Die AfD freute sich auf ihrer Homepage über diese Unterlassungserklärung am Verwaltungsgericht Köln und schreibt, der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes habe damit eine gerichtliche Verurteilung vermieden.
Was kritisiert der oberste deutsche Verfassungsschützer? Haldenwang sagte kurz nach Ende der AfD-Europawahlversammlung, in einer Reihe von Äusserungen komme ein ethnisches Volksverständnis zum Ausdruck, etwa indem der «Grosse Austausch» beschworen werde, eine rassistische und antisemitische Verschwörungstheorie, nach der die Bevölkerung in westlichen Staaten durch Migranten ersetzt werden solle. Haldenwang verteidigte sich zudem gegen Kritik an seinen öffentlichen Äusserungen zur AfD.
Warum äussert sich der oberste Verfassungsschützer überhaupt? «Aufgabe des Verfassungsschutzes ist auch, die Öffentlichkeit zu informieren. Grundsätzlich ist seine Aufgabe, Informationen über Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wenden, zu sammeln», sagt Maryam Kamil Abdusalam. Sie forscht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn und beschäftigt sich mit der Rolle des Verfassungsschutzes. «Gesetzlich ist der Verfassungsschutz verpflichtet, nicht nur Informationen zu sammeln, sondern die Öffentlichkeit auch zu informieren.» Das finde in seinem jährlichen Bericht statt, aber es könne auch via Pressemitteilungen, Interviews oder Informationsbroschüren geschehen.
Was sagt die AfD zu der Kritik des Verfassungsschutzes? Die AfD hält den Verfassungsschutz für nicht neutral. Sie schreibt auf ihrer Webseite: «Das Verhalten seines Präsidenten (gemeint ist der Präsident des Verfassungsschutzes, Anm. der Red.) und auch das vieler seiner (weisungsgebundenen) Mitarbeiter ist notorisch rechtswidrig, da es das staatliche Neutralitätsgebot ständig bricht.» Deshalb fordert sie, «wegen der offenkundig rein politischen Motivation der gesamten Arbeit des Verfassungsschutzes alle Einstufungs- und Beobachtungsmassnahmen der AfD einzustellen».
Welches Ziel verfolgt die AfD mit gerichtlichem Vorgehen? Dazu sagt die Forscherin: «Die AfD verfolgt das taktische Ziel, sich selbst als Zielscheibe politischen Machtmissbrauchs zu stilisieren.»
Wie viel Einfluss hat die AfD auf die deutsche Bevölkerung? Im neuesten Wahltrend zur deutschen Bundestagswahl hat die AfD aktuell 20.4 Prozent. In den Bundesländern kommt die AfD im nach Einwohnerinnen und Einwohnern gewichteten Durchschnitt zu den Landtagswahlen auf 17.6 Prozent, wobei er in den alten Bundesländern 15.2 Prozent und in den neuen Bundesländern (mit Berlin) 27.3 Prozent beträgt. Ihre höchsten aktuellen Umfragewerte erreicht die AfD in den Bundesländern Thüringen (32.9 Prozent) sowie Sachsen (32.5 Prozent). Demgegenüber erreicht die AfD in den Bundesländern Schleswig-Holstein (7.5 Prozent) sowie Hamburg (5 Prozent) ihre niedrigsten aktuellen Umfragewerte.