Worum geht es? Ein vom iranischen Parlament beschlossenes Kopftuchgesetz für Frauen wird vorerst nicht eingeführt. «Die Regierung hat beschlossen, das Gesetz von der politischen Führung und dem Nationalen Sicherheitsrat erneut überprüfen zu lassen», sagte der iranische Vizepräsident Shahram Dabiri dem Internetportal der Tageszeitung «Hammihan». Der als moderat geltende Präsident Massud Peseschkian legte sein Veto gegen das neue Gesetz ein.
Bedeutet dieses Veto, dass die schärferen Strafen nicht im Gesetz verankert werden? «Das glaube ich nicht», sagt Katharina Willinger, die Leiterin des ARD-Büros in Istanbul und Iran-Spezialistin. «Es wird jetzt durch den Sicherheitsrat überprüft und die Regierung Peseschkian muss Änderungsvorschläge vorlegen.
Was meinen die Iranerinnen und Iraner zur Aufschiebung des Gesetzes? «Viele Iranerinnen und Iraner können die Aufschiebung gut einschätzen. Sie sehen es zwar als Teilerfolg, aber als Menschen, die im Iran leben, wissen sie, dass solche Gesetze bei der kleinsten Gelegenheit wieder auf den Tisch kommen können.» Sie wüssten, dass dann ein noch strengeres Gesetz eingeführt werden könnte.
Was würde das neue Gesetz ändern? Alle Frauen im Iran müssen laut den iranischen Vorschriften eine lange Jacke und ein Kopftuch tragen, um Körperkonturen und Haare zu verbergen. Das ist nicht neu. Neu würden allerdings die Strafen bei Zuwiderhandlung massiv verschärft. Nach Einführung des Gesetzes könnte eine Frau, trägt sie kein Kopftuch oder trägt sie das Kopftuch nicht gemäss den Vorschriften, zu 10 Jahren Haft verurteilt werden.
Könnten neu auch Drittpersonen bestraft werden? Mit einer Geldbusse könnten neu auch Personen, die Frauen zur Unschicklichkeit ermutigen, bestraft werden. Die Busse muss nach dem neuen Gesetz innerhalb von 10 Tagen bezahlt werden, andernfalls kann eine Ausgangssperre verhängt werden. Oder die Betroffenen dürfen gewisse Leistungen vom Staat nicht mehr einfordern, zum Beispiel können sie keinen Führerschein mehr beantragen.
Warum wollte das Regime die Strafen verschärfen? In den iranischen Grossstädten halten sich viele Frauen aus Protest nicht mehr an die strengen islamischen Kleidungsregeln. Der Trend folgte auf die Massenproteste vom Herbst 2022 unter dem Motto «Frau, Leben, Freiheit».
Belegt dieses Veto, dass Peseschkian ein moderater Präsident ist? Dazu gebe es im Iran zwei Haltungen, so die Journalistin. «Einige sehen im Veto des Präsidenten gegen dieses Gesetz einen internen Machtkampf, dass Peseschkian sich gegen die Hardliner durchzusetzen versucht.» Andere sähen das Veto als abgekartetes Spiel, «dass das Regime genau weiss, an welcher Stelle man ein Ventil öffnen muss, um Druck aus der Gesellschaft abzulassen. Und gleichzeitig möchte das Regime den Einfluss des moderaten Präsidenten Peseschkian als grösser darstellen, als er ist.»