Noch vor wenigen Monaten gab es weder Pläne noch Absichten. «Mit mir als verantwortlichem Minister wird es keinen Nato-Beitritt geben», sagte etwa der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist Anfang Jahr in einer viel beachteten Rede. Das war vor dem 24. Februar, dem Tag des Einmarsches der russischen Truppen in dessen Nachbarland Ukraine.
«An diesem Tag wurde das Vertrauen gebrochen», betonte der finnische Staatspräsident Sauli Niinistö, der in den letzten Jahren trotz aller Probleme immer einen direkten Draht zu seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin besass. Der jederzeit mögliche Dialog über die 1340 Kilometer lange Ostgrenze hinaus bildete seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Grundlage der finnischen Neutralität.
Am Donnerstag wird nun Niinistö Geschichte schreiben und öffentlich mitteilen, dass er ein Beitrittsgesuch zur Nato befürworte – damit wird er den ersten von zahlreichen Dominosteinen anstossen, welche in den nächsten Wochen aus den beiden nordischen Staaten die jüngsten Mitglieder des westlichen Militärbündnisses machen werden.
75 Prozent für Nato-Beitritt in Finnland
Gleichentags wird in einem weiteren Schritt die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin grünes Licht für ein Nato-Beitrittsgesuch geben. Es folgt dann eine Abstimmung im finnischen Parlament, wo sich unterdessen fast alle Parteien für die Nato-Mitgliedschaft aussprechen. In der finnischen Bevölkerung sind nach jüngsten Umfragen ebenfalls fast 75 Prozent für den markanten Wechsel in der Sicherheitspolitik des nordischen EU-Landes.
Dieser finnische Beschluss hat direkte Auswirkungen auf das westliche Nachbarland Schweden, das seine Neutralität vor 214 Jahren erklärt hatte. Am kommenden Sonntag wird der Parteitag der regierenden Sozialdemokraten von Verteidigungsminister Peter Hultqvist für den Beitritt zur Nato stimmen. Er selber möchte trotzt seinen Anfang Jahr gemachten anderweitigen Versicherungen im Amt bleiben. Und auch von einer für den Fall einer Nato-Mitgliedschaft lange versprochenen Volksabstimmung ist in Schweden keine ernsthafte Rede mehr.
Tatsächlich haben sich sowohl Finnland wie auch Schweden schon seit Jahren politisch und strategisch auf die Nato vorbereitet. Schon nach dem ersten russischen Angriff auf die Ukraine und die Annexion der Krim im Jahre 2014 vereinbarten die beiden nordischen neutralen Staaten Beistandsabkommen mit der Nato. Ein Vollbeitritt war aber bis zur Ukraine-Invasion Moskaus politisch nicht durchsetzbar.
Neue sicherheitspolitische Landkarte
Mit dem Schlussspurt in die Nato verändert sich die sicherheitspolitische Landkarte Nordeuropas grundlegend: Die gemeinsame Grenze zwischen Russland und der Nato wird nun doppelt so lang. Zudem müssen sich Finnland und Schweden die Frage stellen, ob sie künftig Nato-Truppen oder gar Atomwaffen auf ihrem Territorium tolerieren werden. Letzteres ist auch für viele jetzt zu Nato-Befürworterinnen und -Befürwortern mutierten Nordländerinnen und Nordländer weiterhin ein No-Go.
Gespannt ist man in Helsinki und Stockholm schliesslich auf die russischen Reaktionen auf die Beitrittsankündigungen. Erwartet wird zwar kein direkter militärischer Angriff, jedoch aber hybride Angriffe auf die IT-Systeme beider Länder sowie mögliche Scharmützel entlang der langen Land- und Seegrenze. Denn Moskau hatte in der Vergangenheit stets vor einem nordischen Abschied von der Neutralität gewarnt.