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Kulturkampf in Italien Ist die RAI zu einer Art «Tele Meloni» geworden?

Italienische Regierungen haben schon immer versucht, das staatliche Fernsehen RAI zu kontrollieren. Jetzt aber übertreibe die Ministerpräsidentin, sagen Kritiker.

Die Journalistin Lisa Di Giuseppe schreibt in der links-liberalen Römer Tageszeitung «Domani» regelmässig über das staatliche Fernsehen RAI. Di Giuseppe sagt: «Seit Giorgia Meloni regiert, sind gewisse unbequeme Themen aus der Hauptausgabe der ‹Tagesschau› verschwunden.»

Über Themen wie die anhaltend hohe Zahl neu ankommender Migrantinnen und Migranten berichte die RAI weniger. Und auf Druck der Politik habe sie kritische Hintergrundbeiträge aus ihrem Programm gestrichen.

RAI Tre weniger links als früher

Lange war es bei der RAI so: Der erste Kanal, RAI Uno, war regierungsnah, der zweite Kanal war rechts und der dritte Kanal links. Dieses politische Gleichgewicht innerhalb der RAI habe Meloni durcheinandergebracht, sagt Di Giuseppe.

RAI Tre hat seine linke politische Identität eingebüsst.
Autor: Lisa Di Giuseppe Journalistin bei der Tageszeitung «Domani» in Rom

Denn nun sei die linke Opposition in der RAI kaum mehr vertreten: «Der dritte Kanal RAI Tre hat seine linke politische Identität eingebüsst», sagt die Journalistin. Darum sei die RAI heute ein «Tele Meloni», sagen in Italien viele.

Lisa di Giuseppe.
Legende: Die Journalistin Lisa di Giuseppe. srf

So weit geht Giovanni Orsina nicht. Er ist Historiker und Politologe an der privaten Uni Luiss in Rom, diese wird von grossen italienischen Firmen und Unternehmern finanziert.

Einschaltquote ist gesunken

Vom Begriff «Tele Meloni» hält Orsina wenig: «Die RAI ist nicht erst seit Meloni komplett von der italienischen Politik abhängig. Denn die Aktionäre der RAI sind die Parteien», bringt es der Römer Politologe auf den Punkt.

Anders als Di Giuseppe sagt Orsina, der dritte RAI-Kanal habe sein eher linkes Profil bewahren können. «Meloni geht nicht aggressiver als frühere Regierungen gegen oppositionelle Kräfte in der RAI vor.»

Meloni.
Legende: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nimmt Einfluss beim staatlichen Fernsehen RAI. Wie stark dieser ist, ist allerdings umstritten. Keystone / Angelo Carconi

Fakt aber sei, entgegnet Journalistin Di Giuseppe, dass die Einschaltquoten der RAI stark gesunken seien, seit die Regierung Meloni die RAI umgekrempelt habe: «Es ist kontraproduktiv, dass die Regierung Meloni der RAI einen Rechtskurs verordnet hat.

Ich bin sehr skeptisch, wenn man in Italien vom Ende der Pressefreiheit spricht.
Autor: Giovanni Orsina Historiker und Politologe an der wirtschaftsnahen Uni Luiss

«Auf diese Weise habe die RAI einen Teil ihres Publikums – das eher progressive – an die Privatsender verloren. Einige private TV-Sender verstünden es viel besser, auf die Bedürfnisse des eher linken Publikums einzugehen.

Pressefreiheit nicht gefährdet

Genau das sei doch der Beweis dafür, sagt Politologe Orsina, dass im Italien von Giorgia Meloni die Pressefreiheit und Medienvielfalt keineswegs gefährdet seien: «Ich bin sehr skeptisch und zurückhaltend, wenn man in Italien vom Ende der Pressefreiheit spricht».

Giovanni Orsina.
Legende: Der Politologe und Historiker Giovanni Orsina. srf

Sicher, Italiens Medien seien nicht ideal, so Orsina weiter. Denn die Politik habe grossen Einfluss auf die RAI. Zudem gehörten die privaten TV-Sender oder Zeitungen fast ausschliesslich grossen italienischen Unternehmerfamilien. Und trotzdem werde auch die Regierung Meloni kritisiert und es würden viele und verschiedene Stimmen gehört.

Besuch der Polizei auf der Redaktion

Auch die Journalistin Di Giuseppe spricht nicht vom Ende der Medienfreiheit. Trotzdem ist sie besorgt. So habe ihre Zeitung mit einer Flut von Klagen zu kämpfen. Und es komme vor, dass Carabinieri in ihrer Redaktion erscheinen: «Die Polizei lässt sich besonders kritische Online-Artikel auf Papier ausdrucken und beschlagnahmt sie.»

Die Meinungen sind also geteilt. Und wie schon in den langen Jahren der Regierung Berlusconi verläuft die Bruchlinie in diesem Disput ziemlich genau zwischen dem rechten und dem linken politischen Lager.

Echo der Zeit, 28.2.2024, 18:00 Uhr;kesm

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