Wie ist die Lage in Argentinien? Diese Woche verzeichnete das zweitgrösste Land Südamerikas mit über 8700 Neuansteckungen innert 24 Stunden einen neuen Rekord bei den Fallzahlen. In vielen Teilen des Landes gelten nach wie vor harte Ausgangsbeschränkungen. Kürzlich wurden diese bis mindestens 30. August verlängert. In Buenos Aires gehen die Menschen heute Mittwoch und morgen Donnerstag gegen die Corona-Massnahmen der Regierung auf die Strasse.
Es gibt heute fast doppelt so viele Intensivbetten im Land wie zu Beginn der Pandemie.
Wer sind die Demonstranten? «Es ist eine ziemlich zusammengewürfelte Gruppe», sagt Karen Naundorf, SRF-Korrespondentin in Buenos Aires. Menschen, die sich Sorgen um ihr Unternehmen machen, Regierungsgegner, aber auch Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner. «Der gemeinsame Nenner dürfte sein, dass sich der Protest gegen die Regierung richtet.» Angeheizt würden die Proteste deshalb auch von Oppositionspolitikern.
Was ist der Grund für den Unmut? «Die meisten Menschen hier sind die Quarantäne leid», sagt Naundorf. Zu Beginn der Pandemie habe der Präsident Alberto Ángel Fernández noch eine aussergewöhnlich hohe Zustimmungsrate von rund 80 Prozent gehabt. Diese habe sich halbiert. Und in einer Umfrage gaben jüngst mehr als 40 Prozent der Befragten an, sie seien unzufrieden.
Wo gelten welche Massnahmen? «Das ist sehr unterschiedlich», erklärt die Korrespondentin. Argentinien ist wie die Schweiz föderal organisiert. Es gibt Provinzen, in denen der Schulunterricht wieder aufgenommen wurde. Doch in Buenos Aires zum Beispiel darf man nur von 18 Uhr abends bis 10 Uhr morgens spazieren gehen. Es gilt eine Maskenpflicht. Aber streng kontrolliert werde das nicht, weiss Naundorf. «An schönen Tagen sind die Parks hier voll. Und die Stadtregierung erlaubt auch immer mehr Geschäften zu öffnen.»
Welche Regeln werden durchgesetzt? Busse und Bahnen dürfen nur mit Sondergenehmigung benutzt werden. Die Zufahrten zur Hauptstadt sind seit März gesperrt, ebenso wie die Grenzen zu den anderen Provinzen. Buenos Aires ist dadurch quasi vom Rest des Landes abgeriegelt. «Das heisst, wenn man innerhalb des Landes von einer Region in die andere reisen möchte, muss man dort erst einmal 14 Tage in Quarantäne gehen – unter Aufsicht.»
Wie geht es weiter in Argentinien? Das eigentliche Ziel der Quarantäne sei gewesen, das völlig unterfinanzierte und desolate Gesundheitssystem Argentiniens auf Vordermann zu bringen. Das habe auch einigermassen funktioniert, sagt sie. «Es gibt heute fast doppelt so viele Intensivbetten wie zu Beginn der Pandemie.» Das sei vermutlich der Grund dafür, dass es trotz hoher Fallzahlen bisher noch relativ wenige Tote gab. «Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen», mahnt Naundorf, denn die Pandemie sei noch nicht vorüber; es werde sehr wenig getestet und auch wenig nachverfolgt.