Umweltschützer und Vertreter der Schweizer Bauern monieren, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro den Umweltschutz mit Füssen trete. Und obwohl das neu ausgehandelte Freihandelsabkommen der Nachhaltigkeit zu wenig Rechnung trage, wolle die Schweiz mit ihm Geschäfte machen. Doch das Abkommen enthält durchaus Bestimmungen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Was sie wert sind, erklärt Nachhaltigkeitsexpertin Elisabeth Bürgi Bonanomi von der Universität Bern.
SRF News: Bundesrat Guy Parmelin sagt, dass die Schweiz mit diesem Abkommen auf die Nachhaltigkeitsdiskussion Einfluss nehmen könne. Ist dem wirklich so?
Elisabeth Bürgi Bonanomi: Soviel ich weiss, wird ein Dialogprozess zur nachhaltigen Landwirtschaft eingeführt. Das ist besser als nichts. Gross Einfluss nehmen kann man aber nicht, und es kommt sehr darauf an, auf welcher Ebene dieser Dialog angesiedelt ist. Ich gehe nicht davon aus, dass er auf höchster Ebene stattfinden wird. Es ist sicher nicht schlecht, wenn die Partner wissen, was die Erwartungen auf der anderen Seite des Atlantiks sind. Doch es gäbe Möglichkeiten, stärker Einfluss zu nehmen.
Im Handelsabkommen mit Indonesien macht der Bundesrat die direkte Verknüpfung zur Nachhaltigkeit.
Was braucht es, damit ein Freihandelsabkommen nachhaltig ist?
Man kann nicht einfach etwas in ein Abkommen schreiben und dann ist es nachhaltig. Der Bund sollte Nachhaltigkeitsanalysen machen und sich überlegen, wo die heiklen Punkt sind. Es geht nicht nur um ein Kapitel, in dem man sich verspricht, nachhaltig zu sein, sondern es geht um die Frage, welche Produkte man einkauft, wo man Schutz verlangt und wo nicht.
Die grossflächigen, agro-industriellen, monokulturellen Systeme sind noch am Wachsen.
In Brasilien und Argentinien gelten tiefere Standards beim Einsatz von Pestiziden bei der Gemüseproduktion und bei Hormonen in der Tierzucht. Wie lässt sich das mit den Schweizer Richtlinien vereinbaren?
Es ist eine politische Frage, ob die Schweiz Produkte aus solchen Systemen, in denen die Regelungen weniger streng sind, importieren will. Die Schweiz könnte sich entscheiden, importieren zu wollen, aber nur aus den Systemen mit höheren Standards. Sie kann die tieferen Standards auch akzeptieren. Man muss sich aber bewusst sein, dass man Systeme mit tieferen Standards damit fördert.
Im Mai hat der Bundesrat das Freihandelsabkommen mit Indonesien verabschiedet. Darin stehen verbindliche Bedingungen für die nachhaltige Produktion von Palmöl. Diese Verbindlichkeit fehlt im Abkommen mit den Mercosur-Staaten. Hat der Bundesrat hier eine Chance verpasst?
Der Bundesrat hat beim Abkommen mit Indonesien einen neuen Ansatz gewählt. Er importiert Palmöl zu tieferen Zöllen in die Schweiz, aber nur, wenn dieses nachhaltig produziert worden ist. Er macht die direkte Verknüpfung zur Nachhaltigkeit, das heisst, man könnte das Palmöl wieder von der Liste streichen, wenn es nicht nachhaltig produziert worden ist. Insofern kann man schon sagen, der Bundesrat habe eine Chance verpasst.
Man muss sich schon die Frage stellen, ob man solche Produkte einführen oder ob man nachhaltige Produkte unterstützen will.
Im Amazonasgebiet brennt im Moment viel Regenwald und genau jetzt schliesst die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ab. Was sagen Sie dazu?
Forschende in Brasilien und Argentinien zeigen, dass die Entwicklung im Landwirtschaftsbereich in diesen Ländern nicht nur in eine gute Richtung geht. Die grossflächigen, agro-industriellen, monokulturellen Systeme sind noch am Wachsen. Das hat einen Verdrängungseffekt auf die Kleinbauern und die Regenwälder. Man muss sich schon die Frage stellen, ob man solche Produkte einführen oder ob man nachhaltige Produkte unterstützen will. Denn das gibt es auch.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.