Aus Sicht der Führung in Peking hat China in der Corona-Krise alles richtig gemacht und exportiert sein Gewusst-wie sogar weltweit: Im Kampf gegen die Pandemie gibt es ein Rezept – ein autoritäres System.
Gleichzeitig häuft sich die Kritik an demokratisch gewählten Regierungen: Zu spät, zu zögerlich hätten sie reagiert – zu viele Diskussionen, zu wenig Taten.
Rachel Kleinfeld von der US-Denkfabrik Carnegie sieht das anders: «Gerade, weil China autoritär regiert wird, beging es zunächst schwere Fehler mit seiner Heimlichtuerei und der Verfolgung von Mahnern und Kritikern. Später hat es aber energisch durchgegriffen.» Ebenso Singapur.
Andere Regime wie im Iran, in Russland oder Ägypten hätten völlig versagt, findet Professorin Sofia Fenner von der US-Elitehochschule Bryn Mawr College in Pennsylvania. Wieder andere Staaten leugnen bis heute, dass es überhaupt ein Problem gebe, etwa Nordkorea oder Turkmenistan.
Umgekehrt finden sich auch unter Demokratien Musterknaben und Versager. Zu ersteren zählt Rachel Kleinfeld Südkorea, Taiwan, Kanada und etliche europäische Länder. Andere Staaten täten sich enorm schwer, etwa die USA, Brasilien oder Indien, denn «niemand hat ein Patentrezept gegen das Virus».
Schlecht, wenn «verpolitisiert» wird
Offenkundig sei, so Kleinfeld, dass Länder dort schlechter dastünden, wo die Krise politisiert worden sei, statt sie nüchtern und mit medizinischen Argumenten anzugehen. «Krankheiten ist die Politik egal.»
Für sie ist bei der Corona-Krise nicht entscheidend, ob ein Land demokratisch oder autoritär regiert wird, denn andere Kriterien machten den Erfolg aus: «Haben die Länder von früheren Epidemien gelernt, nicht zuletzt von Sars? Offenkundig haben die asiatischen Länder, wo Sars hauptsächlich wütete, besser vorgesorgt.»
Krankheiten ist die Politik egal.
Aber geniessen die Behörden eines Landes Vertrauen in der Bevölkerung? In China sei das mehrheitlich der Fall, in Hongkong jedoch nicht, weshalb dort Anweisungen der Regierung missachtet wurden.
Auf ein recht breites Grundvertrauen könne auch manche demokratische Regierung bauen: etwa in Skandinavien, in der Schweiz oder in Kanada. Weit weniger jedoch in den USA, in Italien oder Frankreich, wo die öffentliche Meinung zutiefst gespalten sei.
Und schliesslich, so Kleinfeld: «Wie gut ist die medizinische Infrastruktur eines Landes? Da hatten China und europäische Länder einen klaren Startvorteil.» Hingegen könnte das Fehlen eines funktionierenden Gesundheitswesens in Drittweltländern dramatische Folgen haben. Gleichzeitig besässen gerade afrikanische Staaten Erfahrung mit Epidemien, mit Polio, Ebola oder Aids.
Autoritärer Schub?
Doch unabhängig davon, wie gut oder schlecht Staaten die Krise meistern, rechnet Kleinfeld mit einem autoritären Schub wegen und nach der Corona-Krise.
Die Menschen sind offen für extreme Lösungen, laufen Populisten hinterher, suchen nach Heilsbringern und Scharlatanen und generell nach autoritären Figuren.
Auch demokratisch legitimierte Regierungen möchten ausserordentliche Vollmachten nicht wieder abgeben, etwa die ungarische Führung. Und es sei mit einer heftigen Wirtschaftskrise mit wachsender Armut und Chaos zu rechnen.
Kleinfeld fühlt sich an die Wirtschaftsdepression zwischen den beiden Weltkriegen erinnert. «Menschen sind dann offen für extreme Lösungen, laufen Populisten hinterher, suchen nach Heilsbringern und Scharlatanen und generell nach autoritären Figuren.»
Die Demokratie könnte also mancherorts zu den Opfern der Corona-Krise gehören. Obschon sie nicht generell versagt hat.