Delegationen aus aller Welt reisten an den Ukraine-Gipfel – ein riesiger Aufwand, organisiert von Gabriel Lüchinger.
SRF: Wie oft mussten Sie an diesem Wochenende improvisieren?
Gabriel Lüchinger: Wir waren gut vorbereitet. Aber es ist normal, dass Dinge passieren, die unvorhersehbar sind, wenn über 100 Staaten und internationale Organisationen eingeladen sind.
Delegationen standen einfach plötzlich vor der Tür!
So kam es immer wieder zu Änderungen der Ankunftszeiten der Delegationen – oder gar zu Delegationen, die erschienen sind, ohne dass sie angemeldet waren. Sie standen einfach plötzlich vor der Tür!
Welche Länder?
Es waren einzelne Staaten aus Afrika, die eher kurzfristig arbeiten. Wir mussten darauf reagieren und es gelang uns, für alle noch ein Hotel zu finden.
Der ukrainische Präsident Selenski sagte, an der Konferenz werde Geschichte geschrieben. Andere sagen, man sei dem Frieden keinen Schritt näher gekommen. Was für eine Bilanz ziehen Sie?
Eigentlich eine positive Bilanz. Mir ist bewusst, dass es nicht dem Lehrbuch entspricht, in einer frühen Phase auf der höchsten Stufe mit Staats- und Regierungschefs einen Plan zu einem Frieden zu entwickeln. Aber ich glaube, dass wir effektiv einen Startpunkt gesetzt haben. Das ist auch das, was sich viele Staaten und die Ukraine von der Schweiz erhofft haben, dass wir eine Plattform zur Verfügung stellen. Das ist gelungen, denke ich.
Es ist aber nicht gelungen, dass sich alle auf eine Schlusserklärung einigen konnten. Sind Sie enttäuscht?
Überhaupt nicht. Wir erwarteten sogar, dass wir keine Schlusserklärung haben. Als Plan B hätte die Schweiz am Schluss einfach eine Zusammenfassung veröffentlicht.
Ich bin überzeugt, das ist ein grosser Erfolg.
Bis zum letzten Moment haben wir mit vielen verschiedenen Staaten verhandelt, versucht, den Text so anzupassen, dass wir einen Konsens finden. Es ist dann tatsächlich gelungen, eine Schlusserklärung mit 84 Delegationen zu veröffentlichen. Ich bin überzeugt, das ist ein grosser Erfolg und auch sehr wichtig für den weiteren Prozess.
Als die Konferenz gestartet ist, musste die Schweiz also damit rechnen, dass sie einen riesigen Anlass organisiert, der nicht einmal zu einer Schlusserklärung führt?
Ja, ganz genau. Ich muss wirklich sagen, wir sind noch selten ein solches Risiko eingegangen. Ich bin persönlich auch stolz darauf, dass wir trotz der unsicheren Ausgangslage den Mut hatten, dies zu tun.
Wie geht es weiter? Haben Sie bereits Signale aus China und Russland?
Mit China bin ich bereits in Kontakt, um ihnen von der Konferenz zu berichten und um den Dialog weiterzuführen. Ohne China gibt es keine Lösung. Ich bin persönlich auch sehr enttäuscht, dass es nicht gelungen ist, sie auf den Bürgenstock zu holen. Das ist ein Misserfolg.
Es ist völlig klar, dass Russland auf eine Art integriert werden muss.
Zu Russland hat die Schweiz selbstverständlich Beziehungen. Wir haben eine Grundlage geboten, um jetzt den Prozess zu starten. Es ist völlig klar, dass Russland auf eine Art integriert werden muss.
Es ist aber noch nicht mal klar, wann und wo ein nächster Gipfel stattfindet.
Er wird sicher nicht in Europa oder im Westen stattfinden. Wir haben auf dem Bürgenstock mit interessierten Ländern diskutiert. Es ist nun an ihnen, zu entscheiden. In den nächsten Wochen, denke ich, wird sich etwas bewegen. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.