Mit Gummihandschuhen greifen die Glacéverkäufer mitten in die eiskalte süsse Masse, füllen die Becher, tunken sie in Pistazien und reichen sie an die Kundschaft weiter. Der Andrang vor dem Glaceladen ist gross. Iman steht in der Warteschlange vor dem Geschäft und freut sich. Sie kommt aus einem Dorf im Süden Syriens und erzählt, sie habe das Essen in Damaskus vermisst.
Es war zwar auch zu Zeiten des Assad-Regimes möglich, in die Hauptstadt zu kommen, aber einfach sei das nicht gewesen. Sie hätten wirtschaftlich gelitten, unter Krieg und Instabilität. Vier Onkel ihres Mannes seien im berüchtigten Gefängnis Saydnaya verschwunden und vermutlich gestorben, sagt Iman. Der Sturz Assads sei eine riesige Freude für alle Syrerinnen und Syrer.
Im Ladenlokal rührt Tareq Sahlab an – ein warmes, dickflüssiges Wintergetränk aus Milch mit viel Zucker und Gewürzen. «Unter dem korrupten syrischen Regime hatten wir nicht so viel Andrang», sagt der junge Mann mit blondem Bart. Nun sei das Regime gefallen, und die Leute atmeten auf. Tareq blickt zuversichtlich in die Zukunft: Alles werde besser – für sein Land, aber auch für ihn persönlich.
Wir wollten den Leuten Mut machen und zeigen, dass es für alle weitergeht, mit der ganzen Vielfalt unseres Landes.
Sein Chef ist Wissam Bekdash: «Das Geschäft wurde 1895 gegründet, wir sind bereits die vierte Generation und tragen Sorge zu unserem Laden. Und so Gott will, werden wir das weiterhin tun.» Die ganze Zeit hindurch, während den vergangenen 13 Jahren des Krieges, hätten sie keinen einzigen Tag zugemacht, sagt Bekdash.
Und am 8. Dezember, als die Rebellen Damaskus befreiten, war Bekdash der erste, der öffnete: «Wir wollten den Leuten damit Mut machen und zeigen, dass es für alle weitergeht, mit der ganzen Vielfalt unseres Landes. Das syrische Volk ist stark und hat viel durchgemacht. Wir haben den Laden geöffnet, um die Blockade zu durchbrechen, damit die Leute rauskommen. Und genau das ist passiert.»
Eine Glace für die Freiheit
Ausserdem hätten sie an jenem Sonntag vor knapp zwei Wochen sofort alle Assad-Porträts von den Wänden geholt – Porträts, die in jedem Laden aufgehängt werden mussten. Jetzt blicken nur noch seine Vorfahren auf die Glacekübel hinunter. Bekdash platziert einen Lautsprecher auf einem Schrank und spielt den Hit der Stunde ab: «Erhebe dein Haupt, du bist ein freier Syrer!» dröhnt es ins Lokal.
Sein Glacé-Rezept will Wissam Bekdash nicht preisgeben, ohnehin könne man es nur hier in Damaskus herstellen. Ein Freund habe es an einem anderen Ort versucht, nach seinen Anweisungen, aber es habe nicht gleich geschmeckt. Es gehöre eine Art von Zauber zur Zubereitung, derselbe Zauber, der die Seele von Damaskus ausmache. Und den gebe es halt nirgendwo sonst.