Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat Russland am Mittwoch eine Mobilmachung angeordnet. Rund 300'000 Reserveleute sollen zusätzlich an die Front. Friedrich Schmidt ist Korrespondent für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» in Moskau und hat die Demonstrationen gegen die Teil-Mobilmachung beobachtet.
SRF News: Was weiss man zurzeit über die Demonstrationen in Russland?
Friedrich Schmidt: Bürgerrechtsschützer vom Portal OVD-Info sagen, in 38 Städten sei demonstriert worden, und es seien über 1400 Menschen festgenommen worden. Genaue Zahlen dazu, wie viele Leute auf die Strasse gegangen sind, gibt es nicht.
Seit dem Überfall auf die Ukraine gibt es neue Zensurgesetze. Deshalb können auch lange Haftstrafen verhängt werden.
Aber aufgrund der Zahl von mehr als 1400 Festgenommenen kann man sagen, dass es Tausende waren – die meisten wieder in St. Petersburg und in Moskau.
Welche Strafen drohen den Demonstrierenden?
Diese Demonstrationen gelten in Russland als illegale Aktionen. Da sind typischerweise Arreststrafen fällig. Bis zu 30 Tage Arrest gibt das und hohe Geldbussen. Es kann auch weniger sein, es kann aber auch mehr sein, nämlich wenn Leute schon in der Vergangenheit in anderer Sache oder wegen solcher Versammlungen festgenommen worden sind.
Es kann immer sein, dass man sagt, jemand habe einen Polizisten angegriffen oder Widerstand geleistet.
Im Wiederholungsfall sind auch schon Haftstrafen verhängt worden. Seit Ende Februar, seit dem Überfall auf die Ukraine, gibt es neue Zensurgesetze. Deshalb können auch lange Haftstrafen verhängt werden. Wer die russische Armee diskreditiert oder Falschnachrichten über die Armee verbreitet, bekommt eine lange Haftstrafe.
Gilt das auch für die Demonstranten vom Mittwoch?
Ich habe noch nicht in Erfahrung gebracht, ob man den Demonstranten vom Mittwoch das auch vorwirft, aber da sind die Behörden traditionell recht freihändig mit den Vorwürfen. Was auch immer sein kann, ist, dass man sagt, jemand habe einen Polizisten angegriffen oder Widerstand geleistet. Dann kann auch schnell ein Strafverfahren folgen.
Das Gespräch führte Nina Gygax.