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Boris Pistorius wird neuer deutscher Verteidigungsminister
Aus Tagesschau vom 17.01.2023.
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Nach Rücktritt von Lambrecht Boris Pistorius wird neuer deutscher Verteidigungsminister

  • Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) übernimmt überraschend das Verteidigungsministerium in Deutschland.
  • Pistorius wird am Donnerstag offiziell vereidigt.
  • Mit nun neun Männern und sieben Frauen hebelt Scholz bei seiner Entscheidung seinen eigenen Anspruch aus, seine Ministerriege ausgeglichen zu besetzen.

«Ich will die Bundeswehr stark machen», betont Pistorius in Hannover. «Die Aufgaben, die vor der Truppe liegen, sind gewaltig.» Ihm sei dabei die «enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit» mit den Soldatinnen und Soldaten wichtig.

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Deutscher Verteidigungsminister: Das erwartet Boris Pistorius im neuen Amt
aus SRF 4 News vom 17.01.2023. Bild: Keystone SDA
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Die Bundeswehr müsse sich auf eine neue Situation durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine einstellen.

Scholz: «Pistorius ist jemand, der mit der Gruppe kann»

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Bundeskanzler Olaf Scholz betont, Pistorius verfüge über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik. Er habe schon in seiner bisherigen Funktion sehr offen und eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Zudem sei Pistorius jemand, «der auch die Kraft und Ruhe besitzt, die man für eine so grosse Aufgabe angesichts der jetzigen Zeitenwende braucht».

Scholz gibt sich sicher, dass die Bundeswehr mit Pistorius gut auskommen werde. «Ich bin überzeugt, dass das jemand ist, der mit der Truppe kann, und den die Soldatinnen und Soldaten sehr mögen werden», sagt er. Scholz bescheinigt Pistorius zudem Kompetenz, Durchsetzungsfähigkeit und ein «grosses Herz».

Mit der Entscheidung für Pistorius hebelt Scholz seinen eigenen Anspruch aus, seine Ministerriege paritätisch zu besetzen. Bisher führten acht Männer und acht Frauen die Ministerien, nun werden es neun Männer und sieben Frauen sein.

In den vergangenen Tagen wurden mehrere andere Namen als mögliche Nachfolger genannt, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl.

Die Personalie Pistorius ist eine Überraschung. Der niedersächsische Innenminister gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben.

Pistorius in Nahaufnahme
Legende: Boris Pistorius gilt als erfahrener Polit-Manager, der schlagfertig, aber nie respektlos ist. KEYSTONE/DPA/Julian Stratenschulte

Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.

Lambrecht tritt ab, Pistorius folgt

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Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie nach gut einem Jahr im Amt Bundeskanzler Olaf Scholz um Entlassung gebeten habe.

Nun soll Boris Pistorius das Amt am Donnerstag von ihr übernehmen. Lambrecht wird dann vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Entlassungs- und Pistorius die Ernennungsurkunde erhalten, zudem wird er im Bundestag vereidigt.

Lambrecht hinterlässt Pistorius eine ganze Reihe von Baustellen. Die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mithilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens steht erst am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.

Pistorius absolvierte eine Lehre zum Gross- und Aussenhandelskaufmann. Von 1980 bis 1981 leistete er seinen Wehrdienst, anschliessend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Er ist bereits seit 2013 Innenminister in Niedersachsen, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Pistorius ist verwitwet und hat zwei Töchter.

Streitlustig, aber nie respektlos

Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos.

Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker schliesslich ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.

Ambitionen nachgesagt

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Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern die jetzige Amtsinhaberin Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.

Ampel voll des Lobes

Die Partner der SPD in der «Ampel»-Koalition loben die Personalie. Finanzminister Christian Lindner gratuliert Pistorius umgehend. In einem Tweet spricht der FDP-Chef von seinem «neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius». «Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine grosse Aufgabe vor uns», schreibt er.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nennt Pistorius einen «sehr erfahrenen Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt». Er übernehme das Verteidigungsressort «in sehr entscheidenden Zeiten». Es seien kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, wie die Ukraine in ihrem «Recht auf Selbstverteidigung» weiter unterstützt werden soll, so Habeck.

Kampfpanzer für die Ukraine?

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Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die deutsche Regierung zuletzt die Lieferung von Marder-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land Leopard-Kampfpanzer bereitzustellen. Bereits am Freitag steht für den neuen Minister ein Treffen mit den westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz an, bei dem es um die weitere Unterstützung für Kiew gehen soll.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert Pistorius bereits auf, das neu geschaffene 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr umgehend umzusetzen. Erste Massnahmen müssten eine «Instandsetzungsoffensive» für die Kampfpanzer Leopard 1 und 2 sowie das Bestellen fehlender Munition sein. Zudem müsse schnell die Entscheidung fallen, der Ukraine Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen, so Dobrindt.

Kritik aus der Union

Aus der Union kommt Kritik. «Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt», sagt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Johann Wadephul (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. «Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle», kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handele es sich um eine «Besetzung aus der B-Mannschaft».

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äussert sich weniger kritisch. Er fordert Pistorius auf, unter seiner Vorgängerin liegen gebliebene Projekte schnellstens anzupacken.

Tagesschau, 17.01.2023, 12:45 Uhr ; 

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