Zum Inhalt springen

Nach wegweisendem Fifa-Urteil Schwanger im Abseits? Der Fussball muss umdenken – auch bei uns

Olympique Lyon entzog seiner schwangeren Spielerin den Lohn und wird zurückgepfiffen. Das Fifa-Urteil hat Folgen – auch für die Schweiz.

Der Fall sorgte weltweit für Schlagzeilen: Der französische Fussballclub Olympique Lyon muss seiner Spielerin Sara Björk Gunnarsdóttir rund 83'000 Franken Lohn nachzahlen. Lohn, den die Fussballerin nicht mehr erhalten hatte, nachdem sie schwanger wurde und deshalb nicht mehr für ihren Club auflief. Die Fifa hat in dieser Sache ein Machtwort gesprochen. Doch auf welcher Grundlage hat die Fifa entschieden – und wie würde ein solcher Fall in der Schweiz ablaufen?

Einen weltweit bindenden Rechtsschutz für schwangere Fussballerinnen gibt es erst seit zwei Jahren. So hat eine schwangere Profispielerin neu Anspruch auf 14 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub. Die Clubs sind neu auch dazu verpflichtet, die Spielerinnen nach der Geburt wieder in den Fussballbetrieb einzugliedern und für eine angemessene medizinische Betreuung zu sorgen. Und: Einer Spielerin darf aufgrund einer Schwangerschaft in keinem Fall gekündigt werden.

Gunnarsdóttir bei einem Spiel mit Olympique Lyon
Legende: Der Fall Gunnarsdóttir hat weitreichende Folgen für den Frauenfussball. Die Nagelprobe in der Schweiz steht noch aus. Denn hierzulande gab es noch keinen vergleichbaren Fall. Keystone/AP/Alvaro Barrientos

Auch in der Schweiz sorgen diese neuen Regeln für Veränderungen, sagt Lucien Valloni, Präsident der Swiss Association of Football Players, die Profifussballerinnen in der Schweiz vertritt. «Die Spielerinnen können sich sowohl auf Schweizer Recht als auch auf diese Fifa-Normen beziehen. Je nachdem, was gerade günstiger ist, können sie auf die Anwendung pochen.»

SFV nimmt Änderungen nicht in Basisvertrag auf

So kennt das Schweizer Recht beispielsweise schon einen Mutterschaftsurlaub – aber erst nach der Geburt. Laut den Fifa-Regeln kann eine Spielerin auch schon vor der Geburt Teile des bezahlten Urlaubs beziehen. Diese Änderungen sind für alle Clubs verpflichtend. Trotzdem will sie der Schweizerische Fussballverband SFV aber nicht in den Basisvertrag aufnehmen.

Der SFV schreibt auf Anfrage: «Die Themen Schwangerschaft und Mutterschaft in der Schweiz sind detailliert geregelt. Die Gesetze gehen teilweise sogar über die Mindestanforderungen der Fifa hinaus. Deshalb haben wir bewusst darauf verzichtet, zusätzliches in unsere Reglemente aufzunehmen beziehungsweise diese anzupassen.»

Ärger beim Verband der Spielerinnen

Die Ausführungen des SFV verärgern Valloni. «Wir haben mehrere Male verlangt, dass der SFV die Änderungen in den Basisvertrag aufnimmt. Ich habe den SFV bei unseren Sitzungen mehrfach auf diese Lücke hingewiesen. Bislang bin ich unverständlicherweise auf Granit gestossen.»

Dass der SFV die neuen Regeln nicht in den Basisvertrag aufnehmen möchte, sorgt auch deshalb für Ratlosigkeit, weil die Fifa-Regeln in jedem Fall bindend sind. Das sieht Lucien Valloni so, der die Änderungen im Sinne der Transparenz und Rechtssicherheit trotzdem gerne auch im Basisvertrag stehen hätte. Der SFV selbst schreibt: «In unseren Statuten ist verankert, dass die Reglemente und Beschlüsse der Fifa für den SFV selbst und für die Clubs verbindlich sind.»

Mit anderen Worten: Wird eine Profifussballerin schwanger, kann sie sich auf das Fifa-Reglement berufen. Wenn davon aber nichts im Vertrag steht, weiss die Fussballerin das dann auch? Die Nagelprobe für die Fifa-Bestimmung steht noch aus. Lucien Valloni weiss noch von keiner Profispielerin, die schwanger wurde und einen bezahlten Schwangerschaftsurlaub verlangte. Das ist aber wohl nur eine Frage der Zeit.

Echo der Zeit, 26.03.2023, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel