Die Nachfolgekonferenz von Lugano für den Wiederaufbau der Ukraine tagt in London. Im Gespräch erläutert der Leiter des UNO-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner, was die Menschen in der Ukraine jetzt am dringendsten brauchen.
SRF News: In London hat die Konferenz für den Wiederaufbau der Ukraine begonnen. Vor einem Jahr tagte diese Konferenz in Lugano. Welche Rolle spielt die Schweiz an der aktuellen Konferenz?
Achim Steiner: In Lugano wurden die Weichen gestellt, damit die internationale Gemeinschaft der Ukraine nicht nur mit Not- und humanitärer Hilfe zur Seite steht. Es muss auch Hilfe geboten werden, wenn es darum geht, die Häuser und Wohnungen der Menschen wieder aufzubauen, die Schulen und Spitäer zu reparieren und letztlich auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen.
Was wird von der Schweiz punkto Wiederaufbau erwartet?
Zurzeit braucht die Ukraine die finanziellen sowie die technischen Mittel, um die Menschen bei Notreparaturen zu unterstützen. Angesichts der Zerstörung der Energieinfrastruktur sind die Schweiz und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, schnellstmöglich Generatoren, aber auch Autotransformatoren zu besorgen. Das hat nun Priorität, denn ein Land muss weiter funktionieren.
Sie waren in den vergangenen Tagen in der Ukraine, haben auch Firmen besucht. Was haben die Menschen Ihnen erzählt?
Viele Menschen, denen ich begegnet bin, sind aus der Ostukraine geflohen. Sie mussten dort ihre Werkstatt, ihre Geschäfte, ihre Bäckereien und ihre Fabriken zurücklassen. Diese zu unterstützen, kann enorm positive Auswirkungen haben.
Wir versuchen, den Menschen zur Seite zu stehen, das bringt Hoffnung, das bringt Stolz.
Eine Unternehmerin in der Ukraine etwa erzählte mir, die 4000 Euro vom UNO-Programm hätten sie überzeugt, in der Ukraine zu bleiben und ihr Unternehmen wieder aufzubauen. So habe ich viele getroffen: Musikinstrumentenbauer, Sockenfabrikanten. Diesen versuchen wir zur Seite zu stehen, das bringt Hoffnung, das bringt Stolz.
Die UNO hilft aktuell, die Schäden zu beheben, beispielsweise mit Minenräumungen. Wie können Sie dabei helfen?
Die Ukraine gehört inzwischen zu den grössten Minenfeldern der Welt. Eine Fläche viermal so gross wie die Schweiz ist zum heutigen Zeitpunkt mit Minen verseucht. Es sind landwirtschaftliche Flächen wie auch Wohngebiete, die vor dem Wiederaufbau geräumt werden müssen.
Nach dem Dammbruch weiss man nicht mehr, wo die Minen sind.
Beim Bruch des Dammes wurden die Minen durch das ganze Tal geschwemmt. Man weiss nicht mehr, wo sie sind. Es ist eine Riesenaktion, über eine halbe Million Minen wurden bereits entfernt. Auch die Schweiz hilft mit.
Welche Erwartungen haben Sie an die Konferenz, die mitten in diesem Angriffskrieg stattfindet?
Es ist wichtig, dass in einen frühen Wiederaufbau investiert wird. Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, sie brauchen eine Arbeitsstelle, sie brauchen ein Einkommen. Die Spitäler und Schulen müssen repariert werden, damit in einigen Monaten Millionen von Kindern wieder die Schulbank drücken können. Das sind die Massnahmen, die die Ukraine in London im Wiederaufbauprogramm präsentieren will. Ich bin der Ansicht, dass auch die internationale Gemeinschaft erkennt, dass dies überlebenswichtige Massnahmen für die Ukraine. Wir werden sicher eine Reihe neuer finanzieller Zusagen und Partnerschaften sehen.
Das Gespräch führte Karoline Arn.