Die USA hatten Israel 30 Tage Zeit gegeben, um die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Ansonsten würden Konsequenzen bei der US-Militärhilfe drohen, sagte die Regierung unter Biden. Nun ist die Frist abgelaufen – und die USA drosseln die Militärhilfe nicht. Was sich in den 30 Tagen im Gazastreifen getan hat, erläutert SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner. Sie hat regelmässig Kontakt mit Menschen im Gazastreifen.
Wie ist die aktuelle Lage in Gaza?
Der Gazastreifen ist ein Ghetto des Elends. Die humanitäre Lage hat sich in keiner Weise verbessert. Vor dem Krieg gelangten rund 500 Lastwagen pro Tag in den Gazastreifen – seit über einem Jahr ist es nur noch ein Bruchteil dessen. Auch wenn Lastwagen durchkommen, werden sie von den Stärksten ausgeraubt. Niemand sorgt für eine ordentliche Verteilung der Hilfsgüter. Die Menschen sind geschwächt, die öffentliche Ordnung ist zusammengebrochen.
Was berichten Menschen vor Ort?
Die meisten meiner Kontakte im Gazastreifen sind tot. Einer, der noch lebt, ist der Schriftsteller Akram Sourani. Er findet kaum noch Worte für das Elend, den Hunger, die Krankheiten, die Verwundeten, die Tausenden Vollwaisen, die Kriminalität, den Gestank, die Abfallberge. Es gibt kaum Worte für das, was die Zivilbevölkerung im Gazastreifen – und auch die von der Hamas entführten israelischen Geiseln – durchmachen. Die meisten Spitäler sind zerstört, es gibt keine ausreichende Gesundheitsversorgung.
Welches Ziel verfolgen die Israelis?
Ich war kürzlich in Israel. Eine radikale Siedlergruppe hielt zu dieser Zeit an der Grenze zum Gazastreifen eine Konferenz zur jüdischen Besiedlung des Gazastreifens ab. Es waren Minister der Regierung an dieser Konferenz mit dabei. Ich habe mit einer Siedlerin der Nachala-Bewegung gesprochen: Diese Bewegung betrachtet den Gazastreifen und das Westjordanland als Land Israels. Sie strebt die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung an. Dazu sind ihr alle Mittel recht. Premier Netanjahu streitet das zwar auf dem internationalen Parkett noch ab. Aber es ist offensichtlich, dass sich seine rechtsradikalen Minister durchsetzen werden, denn niemand stellt sich ihnen entgegen.
Welche Bedeutung haben Donald Trumps Nominierungen für Ämter im Nahen Osten für die Entwicklung der Region?
Vier von Trump gewählte Personalien zeigen klar: Die Palästinenserinnen und Palästinenser spielen für Washington gar keine Rolle mehr. Die Angst bei der palästinensischen Bevölkerung, dass sie keine Zukunft als Volk im Gazastreifen und im Westjordanland haben, sitzt dementsprechend tief.