Zum Inhalt springen
Audio
Wohin steuert die EU-Nahost-Politik?
Aus Echo der Zeit vom 17.10.2024. Bild: Reuters/Johanna Geron
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 41 Sekunden.

Krieg im Nahen Osten «Die EU ist vom Nahost-Konflikt durchaus betroffen»

Vertreter von EU und Golfstaaten trafen sich zu Gesprächen. Mit wenig Ergebnissen. Die Politologin Bente Scheller ordnet ein.

Zum ersten Mal sind Vertreterinnen und Vertreter der EU und der Golfstaaten zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen. Thema war unter anderem der Krieg im Nahen Osten. Doch viel ist dabei nicht herausgekommen. Die Politologin Bente Scheller sieht aber durchaus Bemühungen der EU, den Konflikt zu entschärfen.

Bente Scheller

Politikwissenschaftlerin und Nahostexpertin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Bente Scheller leitet das Referat für den Nahen Osten und Nordafrika bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Diese steht den deutschen Grünen nahe.

SRF News: Stimmt der Eindruck nach dem Treffen von EU-Vertretern mit den Golfstaaten, dass die EU beim Krieg im Nahen Osten betont zurückhalten agiert?

Bente Scheller: Es kann sein, dass man von der EU mehr erwartet als von anderen Akteuren. Immerhin gab es viel aktive Diplomatie und Reisen von Aussenministerinnen und Aussenministern aus Europa, die versuchten, sich konstruktiv einzuschalten. Es gibt schon einiges an Bemühungen aus der EU.

Gipfeltreffen Golfstaaten-EU in Brüssel

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Reuters/Johanna Geron

Beim ersten Gipfeltreffen zwischen EU-Vertretern und dem Golf-Kooperationsrat GCC verständigten sich beide Seiten in Brüssel auf eine vertiefte Partnerschaft, etwa bei Handelsangelegenheiten, im Kampf gegen den Klimawandel und bei Sicherheitsfragen. Im Fokus standen beim Spitzentreffen vor allem der Nahost-Konflikt und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zur GCC gehören Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Saudi-Arabien, der Oman und Kuwait.

Mit Blick auf den Nahost-Konflikt riefen die Gipfelteilnehmer zu einer sofortigen Waffenruhe auf und kündigten weitere Bemühungen um eine Zweistaaten-Lösung an.

Die EU ist eigenen Angaben zufolge der zweitgrösste Handelspartner der GCC-Länder, wobei die EU vor allem mineralische Brennstoffe importiert. In der gemeinsamen Abschlusserklärung verpflichteten sich beide Seiten dazu, die Kooperation im Energiebereich zu intensivieren: Vorgesehen ist etwa eine stärkere Zusammenarbeit im Bereich der Energiesicherheit – einschliesslich Energieeffizienz und erneuerbarer Energien. 

Für Kritik sorgte die Anwesenheit des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Brüssel (Mitte Bild oben). Er soll laut den US-Geheimdiensten vor sechs Jahren den brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul in Auftrag gegeben haben. Das Königshaus weist das zurück. (dpa)

Warum sind die Erwartungen an die EU so hoch?

Einerseits ist die EU durch die geografische Nähe des Konflikts durchaus betroffen, andererseits möchte sie den Frieden, den sie in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, auch an ihren Grenzen haben. Konflikte sollten aus ihrer Sicht anders gelöst werden als mit Krieg. Dem liegt auch die Werte-Orientierung der EU zugrunde.

Gibt es innerhalb der EU, die aus 27 Einzelstaaten besteht, überhaupt eine gemeinsame Haltung in der Nahostpolitik?

Man ist sich einig, dass alle Betroffenen in Israel, Libanon und den Palästinensergebieten in Frieden sollten leben können. Die Frage ist bloss, wie man in diesen Zustand kommt – und dazu gibt es eine ganze Bandbreite an Meinungen.

Eine perfekte Lösung hat niemand.

Das ist aber vielleicht gar nicht das Schlechteste. Denn die eine, perfekte Lösung hat sowieso niemand. Deshalb können die verschiedenen Stimmen durchaus ein guter Beitrag auf dem Weg zum Frieden sein.

Ausser schönen Worten kam bislang von der EU allerdings nicht viel. Was erwartet man im Nahen Osten von den Europäern?

Einige Akteure in der Region sähen gern, dass die EU Sanktionen ergreifen würde. Insbesondere solche gegen israelische Siedler sind in Brüssel ja auch im Gespräch. Das ist aber ein heikles Thema, weil sie auch Mitglieder der aktuellen israelischen Regierung treffen könnten. Ausserdem müssten Sanktionen in der EU einstimmig verabschiedet werden. Die Diskussion darüber ist in Brüssel allerdings noch nicht so weit gediehen, dass es ein eindeutiges Meinungsbild gäbe.

Ist es realistisch, dass die EU eines Tages solche Sanktionen verhängen könnte?

Das ist durchaus vorstellbar. Das wird aber stark davon abhängen, ob man überzeugt ist, dass diese Art von Druck einer Lösung des Konflikts dienlich sein kann.

Gibt es in der EU auch Diskussionen darüber, dass keine Waffen mehr in die Region geliefert werden sollen?

Auch das ist ein Thema in Brüssel. Die Diskussion wird über Offensiv- und Defensivwaffen geführt. Klar ist dabei: Israel ist von der Hamas, von der Hisbollah und von Iran angegriffen worden. Entsprechend gelten bei Defensivwaffen andere Massstäbe. Doch was Offensivwaffen betrifft, wird durchaus darüber nachgedacht, was getan werden kann, damit der Konflikt durch Waffenlieferungen nicht weiter angeheizt wird.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Krieg im Nahen Osten

Box aufklappen Box zuklappen

Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Echo der Zeit, 17.10.2024, 18:00 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel