Drei Dinge hatte Javier Milei, seit dem 10. Dezember 2023 Präsident Argentiniens, noch bis zur Stichwahl im November allem voran versprochen: Weg mit der politischen «Kaste». Die Dollarisierung Argentiniens. Und Ausgabenkürzungen mit der, wie er sagt, «Kettensäge». Inzwischen ist die Dollarisierung verschoben. Sein Kabinett ist mit Politikern des Establishments bestückt. Nur die Kettensäge, die will der neue Präsident nach wie vor ansetzen.
Die Zahl der Ministerien will Milei von 21 auf acht kürzen. Auch soll es keine öffentlichen Bauaufträge mehr geben. Wettbewerbs- und Marktprinzipien sollen auch in Bildung und Gesundheitswesen Einzug halten. Auch will Milei privatisieren, wo es nur geht. Sozialprogramme verspricht er vorerst beizubehalten: Bei über 140 Prozent Inflation im Jahr und fast 45 Prozent Armut im Land sind diese bitter nötig.
Milei plant einen ‹kontrollierten Schock› für die Wirtschaft. Das klingt einfacher, als es ist. Er muss gleichzeitig stabilisieren, Reformen anstossen und die Regierungsfähigkeit sichern.
Viele von Mileis Wählern wünschen sich einen Neuanfang. Doch nun werden sie erst einmal eine Zuspitzung der Krise erleben. Für den Montag wird mit Preisanstiegen von bis zu 40 Prozent für Nahrungsmittel gerechnet. Milei selbst spricht von einer mehrmonatigen Stagflation: Die Wirtschaft könnte stagnieren, während die Inflation weiter anzieht.
Ökonomin Marina Dal Poggetto erklärt: «Milei plant einen ‹kontrollierten Schock› für die Wirtschaft. Das klingt einfacher, als es ist. Er muss gleichzeitig stabilisieren, Reformen anstossen und die Regierungsfähigkeit sichern.» Die Direktorin der Wirtschaftsberatungsfirma EcoGo ist zurückhaltend, wenn sie nach den Erfolgsaussichten gefragt wird: «Mileis Vorschläge sind aggressiv. Zur Stabilisierung der Wirtschaft wird eine Abwertung des Pesos gehören und eine Anhebung der Preise für Gas, Wasser und Strom. Wenn diese Massnahmen nicht genügend abgefedert werden, drohen gesellschaftliche Konflikte.»
Milei ist ein Einzelgänger und emotional instabil. Er glaubt, über ein Medium mit seinem toten Hund zu sprechen und so wiederum mit Gott in Kontakt zu treten. Und dass Gott ihm die Mission gegeben hat, in die Politik zu gehen.
Immerhin habe Milei inzwischen Dialogfähigkeit bewiesen: «Noch vor einem Monat hätte ich gesagt: Die Chancen für eine erfolgreiche Regierungszeit liegen bei null. Nun hat er es geschafft, ein Kabinett zusammenzustellen.» Der internationale Kontext könnte Milei langfristig in die Hände spielen: «Die Welt braucht, was Argentinien produziert: Nahrungsmittel und Rohstoffe. Doch, das allein garantiert noch nicht den Erfolg, Milei muss die richtigen Entscheidungen treffen.»
Sorge bereitet Beobachtern die exzentrische Persönlichkeit des neuen Präsidenten. Juan González hat vor kurzem eine Biografie über Javier Milei veröffentlicht. Der Titel: El Loco, der Verrückte. González fragt sich, wie der neue Präsident mit Krisen umgehen wird: «Milei ist ein Einzelgänger und emotional instabil. Er glaubt, über ein Medium mit seinem toten Hund zu sprechen und so wiederum mit Gott in Kontakt zu treten. Und dass Gott ihm die Mission gegeben hat, in die Politik zu gehen. Was passiert, wenn er feststellt, dass tote Hunde nicht sprechen können und es vielleicht doch keine Mission von Gott direkt gab?»
Klar ist: Auf Argentinien komme harte Monate zu. Eine Rosskur, an deren Ende goldene Zeiten stehen, hoffen die Anhänger von Milei.