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Neuwahl des Unterhauses Wer gewinnt die heutige Parlamentswahl im Vereinigten Königreich?

Die britische Labour-Partei um Keir Starmer steht kurz davor, die stärkste politische Kraft im Vereinigten Königreich zu werden. Die konservativen Tories um Rishi Sunak müssten nach 14 Jahren an der Macht in die Opposition.

Michael Gerber

Grossbritannien-Korrespondent

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Michael Gerber ist seit Frühjahr 2022 TV-Korrespondent für Grossbritannien und Irland. Zuvor war er Koordinator der SRF-Fachredaktion Ausland und Sonderkorrespondent. Von 2011 bis 2017 berichtete er als Korrespondent aus Frankreich. Zuvor war er Korrespondent in der Westschweiz und Redaktor und Reporter von «10vor10».

Was deutet auf den Sieg von Labour hin?

Umfragen zeigen Labour seit Dezember 2021 in Führung – gegenwärtig mit über 20 Prozentpunkten vor den konservativen Tories. Das heisst aber nicht, dass sich nun plötzlich rund 44 Prozent der Bevölkerung eine links-progressive Politik wünschen. Labour profitiert hauptsächlich vom grossen Frust vieler konservativer Wählerinnen und Wähler über die enttäuschende Regierungsführung von Boris Johnson und Liz Truss in den letzten Jahren.

Warum sind die Tories so unbeliebt?

Boris Johnson hat sich als Premierminister nicht an die von ihm selbst erlassenen Lockdown-Regeln gehalten. Während der Corona-Pandemie nahm er am Regierungssitz an mehreren Partys teil – und log später das Parlament wiederholt an. Johnson ist dafür mehrfach gebüsst worden. Mit dem «Partygate» hat er viel Vertrauen verspielt. Seiner Nachfolgerin Liz Truss wiederum mangelte es am nötigen Fachwissen in Wirtschaftsfragen. Mit überzogenen Steuersenkungen für Grossverdiener versetzte Truss die Finanzmärkte in Aufruhr und brachte mehrere Pensionsfonds an den Rand des Zusammenbruchs. Die Zentralbank griff ein und schraubte die Leitzinsen stark in die Höhe, was Hypothekarzinsen und Teuerung enorm anheizte. Darunter leiden viele Britinnen und Briten bis heute.

Profitiert die rechts-nationale Partei Reform UK?

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Reform UK ist eine Protestpartei, die in erster Linie Stimmung gegen die politische Elite macht. Die Partei ist 2019 als Brexit-Partei gegründet worden – durch Nigel Farage, der nach 2010 den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (Brexit) initiiert hat.

Farage wirft den Konservativen vor, den Brexit verbockt zu haben – mit einer schlechten Umsetzung. Die Chance, neue handelspolitische Allianzen in Amerika und Asien abzuschliessen, sei nicht genutzt worden. Eines der Ziele von Reform UK: Die Zuwanderung soll gegen null gesenkt werden.

Wann ist mit einem Wahlergebnis zu rechnen?

Die Wahllokale sind von 8 Uhr bis 23 Uhr (Schweizer Zeit) geöffnet. Unmittelbar danach wird eine Prognose im Auftrag der Fernsehsender BBC, ITV und Sky News veröffentlicht. Bei vier von fünf Wahlen seit der Jahrtausendwende lag diese Prognose grundsätzlich richtig. Kleinere Abweichungen zum Auszählungsergebnis sind aber üblich. Sollte das Rennen sehr knapp ausgehen, könnte es sein, dass bis zur Auszählung eines Grossteils der Stimmen keine Klarheit herrscht. Die Ergebnisse werden für jeden Wahlkreis einzeln bekannt gegeben. Deshalb dürfte sich die Auszählung bis in die Morgenstunden hinziehen. Mit einem offiziellen Endergebnis ist im Laufe des Freitags zu rechnen.

Zwei Männer in Anzügen bei einer Veranstaltung.
Legende: Labour um den Parteivorsitzenden Keir Starmer (rechts) steht in den Umfragen aktuell vor den konservativen Tories um deren Vorsitzenden und Premierminister Rishi Sunak. (Bild von der Parlamentseröffnung im November 2023) IMAGO/iImages

Wie funktioniert das britische Wahlsystem?

Grossbritannien hat ein relatives Mehrheitswahlrecht. Ins Parlament ziehen nur Kandidierende mit den meisten Stimmen im entsprechenden Wahlkreis ein. Das führt dazu, dass die beiden grossen Parteien – Konservative und Labour – bevorzugt werden. In der jüngeren Vergangenheit verpassten allerdings beide Parteien immer wieder die absolute Mehrheit der Mandate im Unterhaus.

Rund 320 Mandate bringen die Mehrheit

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Von den 650 Wahlkreisen im Vereinigten Königreich liegen 533 in England, 59 in Schottland, 40 in Wales und 18 in Nordirland. In jedem Wahlkreis wird genau eine Person für das Unterhaus in Westminster gewählt. Der Kandidat oder die Kandidatin mit der einfachen Mehrheit gewinnt den Sitz im Parlament und die anderen gehen leer aus. 

Theoretisch liegt die Mehrheit im Parlament bei 326 Sitzen. Weil aber der Parlamentspräsident oder die -präsidentin und seine Stellvertretenden nicht abstimmen und die nordirisch-katholische Partei Sinn Fein ihre Sitze traditionell nicht einnimmt, liegt die Mehrheit faktisch bei etwa 320 Mandaten.

Wer bildet die Regierung?

Bei klaren Mehrheitsverhältnissen beauftragt König Charles III. den Wahlsieger mit der Regierungsbildung. Sollte es zu einem «hung parliament» kommen – eine Situation, in der keine Partei eine Mehrheit erreicht –, müssen Verhandlungen über eine Koalition oder die Duldung einer Minderheitsregierung stattfinden.

Wer ist wahlberechtigt?

Zur Wahl aufgerufen sind alle, die mindestens 18 Jahre alt sind, sich für die Wahl registriert und ihr Wahlrecht nicht verwirkt haben, beispielsweise wegen einer Haftstrafe. Abstimmen dürfen auch Bürgerinnen und Bürger der Republik Irland und von Commonwealth-Staaten, die ihren Wohnsitz in Grossbritannien haben. Britinnen und Briten im Ausland dürfen nur an der Wahl teilnehmen, wenn sie in den vergangenen 15 Jahren für eine Wahl registriert waren. Ende 2023 gab es 46.6 Millionen Wahlberechtigte.

Die Wahlen im Vereinigten Königreich im Liveticker

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Verfolgen Sie die spannendsten Ereignisse in Grossbritannien und Nordirland in unserem Liveticker zur Parlamentswahl im Vereinigten Königreich .

Echo der Zeit, 02.07.2024, 18 Uhr ; 

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