Am Sonntag wählt Österreich ein neues Parlament. Dabei scheint der Ausgang schon jetzt ziemlich eindeutig, wie der Politologe Anton Pelinka ausführt. Spannend werde dagegen, mit wem die erwartete Wahlsiegerin – die ÖVP von Sebastian Kurz – eine Regierung bilden werde.
SRF News: Die Ibiza-Affäre scheint der rechtsnationalen FPÖ nur wenig geschadet zu haben. Weshalb?
Anton Pelinka: Das Verhalten Straches im Ibiza-Video entspricht der Vorstellung vieler Wählerinnen und Wähler, wie Politik funktioniert: Man bezahlt für eine politische Gegenleistung. Viele FPÖ-Wähler denken, dass sich viele Politiker so verhalten, bloss ist jetzt halt einer der Ihren erwischt worden.
Wie stark hat die schwarz-blaue Regierungskoalition Österreich in den anderthalb Jahren an der Macht umgebaut?
Es ist nichts Dramatisches passiert. Wohl hat es Verschiebungen personeller Art im Beamtenapparat gegeben, aber das ist oft so bei Regierungswechseln – auch wenn es nicht optimal ist.
Man sollte die eineinhalb Jahre Kurz-Strache nicht überbewerten oder gar als Zäsur bezeichnen.
Neu ist, dass das Gleichgewicht in sozialpartnerschaftlichen Gremien zu Ungunsten der Arbeitnehmervertreter verschoben wurde. Federführend war dabei eher die ÖVP, die eng mit der Wirtschaft verbunden ist. Die Freiheitlichen stimmten diesem Kurs deshalb zu, weil einige der Ihren so einen Posten erhielten. Alles in allem sollte man die eineinhalb Jahre Kurz-Strache nicht überbewerten oder gar als Zäsur bezeichnen.
Die ÖVP-FPÖ-Regierung ist krachend zusammengebrochen. Wieso scheint die SPÖ davon nicht profitieren zu können?
Festzustellen sind bloss Wählerverschiebungen innerhalb der beiden Blöcke: Die ÖVP profitiert von abgesprungenen FPÖ-Wählern, während es auch innerhalb des Blocks der Oppositionsparteien zu Verschiebungen kommt. So sind etwa die Grünen deutlich stärker geworden – auf Kosten der SPÖ.
Kurz will auf keinen Fall Herbert Kickl als Innenminister.
Deshalb ist zu erwarten, dass auch die künftige Regierung nicht ohne die ÖVP und Kurz auskommen wird. Spannend wird, mit wem die ÖVP eine Regierung bilden wird. Kurz hat schon im Vorfeld der Wahlen Bedingungen für einen künftigen Koalitionspartner definiert, die von der FPÖ bereits zurückgewiesen wurden. So will er fürs Innenministerium auf keinen Fall erneut den FPÖ-Mann Herbert Kickl.
Trotzdem scheint eine Neuauflage Schwarz-Blau nicht unmöglich. Kurz konzentriert sich zwar auf die Personalie Kickl, lässt sonst die Türe aber offen...
Kurz muss sich alle Türen offen lassen, sonst wird er quasi zum Gefangenen der sozialdemokratischen Partei, die neben der FPÖ der andere logische Koalitionspartner ist. Trotzdem wird sich erst noch zeigen, ob die Freiheitlichen bei Kurz' Spiel mitspielen werden.
Kurz ist ein Teflon-Politiker – an ihm bleibt nichts haften.
Wie geschlossen ist eigentlich die ÖVP? Kurz scheint zwar fest im Stattel zu sitzen, doch er scheint auch auf parteiinterne Kritik zu stossen.
Tatsächlich gibt es Widerstand gegen Kurz innerhalb der ÖVP. So wurde er quasi von der Partei dazu gezwungen, zu erklären, dass es mit einem Innenminister Kickl keine Koalition mit der FPÖ geben werde. Die ÖVP-Mitglieder wissen aber auch, dass das gute Abschneiden bei der Wahl 2017 und wohl auch am nächsten Wochenende primär der Person Sebastian Kurz zu verdanken ist.
Für Kurz und die ÖVP läuft ja nicht alles rund: Es gibt undurchsichtige Parteispenden, Tricksereien bei den Wahlkampfausgaben, es gab eine Schredder-Affäre. Weshalb scheint das alles Kurz nichts anzuhaben?
Kurz ist ein Teflon-Politiker – an ihm bleibt nichts haften. Wen das stört, der wählt Kurz nicht. Und jene, die Kurz sowieso wählen, stört das nicht – noch nicht.
Das Gespräch führte Simone Fatzer.