Die Olympischen Spiele sind auch ein Grossereignis, die Politikerinnen und Politikern als Spielwiese dient. Sie nutzen den Anlass, um sich in Szene zu setzen. Das jedenfalls sagt der Politologe Peter Filzmaier von der Universität Graz in Österreich.
SRF News: Ist es verwerflich, wenn die Schweizer Sportministerin in Paris einem Schweizer Medaillen-Gewinner die Hand schüttelt und sich dabei fotografieren lässt?
Peter Filzmaier: Das Händeschütteln halte ich für eine harmlose politische Inszenierung. Allerdings zeigt schon das: Olympia wird als Bühne benutzt – und zwar von den Regierenden. Die politische Opposition kann diese Bühne nicht nutzen.
Ist das auch in Demokratien ein Problem?
Dann ist es sicher weniger problematisch, denn dort werden Regierungen auch abgewählt – und dann kommen beim nächsten Mal andere zu Zug. Doch von rund 200 Staaten auf der Welt sind weit mehr als die Hälfte nicht Demokratien – und dann inszenieren sich dort Antidemokraten.
Sotschi und Peking haben gezeigt, wie gross die Bühne für Autokraten sein kann.
Und selbst von den rund 70 als Demokratien geltenden Länder sind nicht alle lupenrein. Und so haben die Winterspiele von Sotschi 2014 und Peking 2022 gezeigt, wie gross die olympische Bühne für Antidemokraten sein kann.
Wie politisch sind die Spiele 2024 in Paris?
Sie sind genauso politisch wie alle Spiele zuvor auch. Man diskutiert über teilnehmende russische Sportlerinnen und Sportler oder die sechs Teilnehmer für Palästina, die aber nicht im Nahen Osten leben. Das alles führt auch zu einer latenten Terrorgefahr, auf die mit rigorosen Sicherheitsvorkehrungen reagiert wird. Und da wird man sehen, ob Frankreich sie nach den Spielen wieder aufhebt.
Was hat sich im Lauf der Zeit verändert?
«Früher war alles besser» ist Unsinn. Und noch grösserer Unsinn ist die Aussage, Sport oder Olympische Spiele seien völlig unpolitisch. Denn schliesslich sind in den Statuten des Olympischen Komitees Anti-Diskriminierung, Völkerverständigung und Frieden festgeschrieben – alles politische Ziele im positivsten Sinn. Allerdings hat es mit der Umsetzung gehapert – man denke an Hitlers Spiele 1936 in Berlin. Oder jene in Mexiko City 1968, als man jene farbigen Sportler, die sich gegen Diskriminierung einsetzten, aus dem Olympischen Dorf hinausgeworfen hat.
Den Sportlern ist es verboten, etwas Undemokratisches von sich zu geben.
Es gilt aber auch das Recht auf freie Meinungsäusserung in Sportstadien?
Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ursprünglich durften sich die Sportlerinnen gar nicht politisch äussern. Inzwischen dürfen sie es, aber nicht im unmittelbaren Umfeld der Wettbewerbe. Und wenn man etwas Politisches äussert, sollte es auch keine Sanktionen geben, denn das wäre gegen die Meinungsäusserungsfreiheit. Verboten ist dagegen, etwas Undemokratisches von sich zu geben.
Wie steht es um die Zukunft von Olympia in einer Welt mit immer mehr autoritären Regimen?
Als Sportfan hoffe ich, dass es die Olympischen Spiele weiterhin geben wird. Doch man kann sich fragen, ob sie weiterhin ein einziger gigantischer Event sein sollen. Man könnte sie dezentralisieren, die Zahl der Sportler durch das Rotationsprinzip der Sportarten begrenzen – was man bereit tut – und nicht alles dem wirtschaftlichen Gedanken unterordnen. Auf diese Weise könnte man auch sinnvolle Olympische Spiele veranstalten – auch was Umwelt und Nachhaltigkeit angeht.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.