Er ist ein Meister der Inszenierung: Nigel Farage von der rechtsnationalen Protestpartei Reform UK. Sein zentrales Wahlkampfthema ist die Zuwanderung. Farage weiss, wie er daraus am meisten politisches Kapital schlagen kann: Er fährt mit Medienschaffenden auf den Ärmelkanal und schürt vor laufenden Kameras die Angst, Grossbritannien habe die Kontrolle über die Zuwanderung verloren. «Es kommen immer mehr mit dem Boot von Frankreich», so Farage. «Es sind meist junge Männer, die bei uns arbeiten oder von unserem Sozialdienst profitieren wollen. Und es hat auch Terroristen darunter.»
Nigel Farage gibt auch gleich sein Patentrezept zum Besten, wie die illegalen Überfahrten zu stoppen wären: «Wir greifen sie auf dem Meer auf und bringen sie gleich nach Frankreich zurück, statt sie bei uns in Dover an Land zu bringen und zu registrieren.»
Klingt einfach, würde allerdings gegen internationales Seerecht sowie gegen britisch-französische Vereinbarungen verstossen. Frankreich und Grossbritannien haben 2023 bekräftigt, gegen 500 zusätzliche Polizeimitglieder an die französischen Strände am Ärmelkanal zu schicken, um dort Migrantinnen und Migranten daran zu hindern, überzusetzen. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat Frankreich dafür 500 Millionen Pfund (knapp 575 Millionen Franken) als Hilfe zugesagt – für die nächsten fünf Jahre.
Ausschaffung nach Ruanda soll abschrecken
Auch Sunak spielt im Wahlkampf die Angst-Karte: «Sobald Labour das Sagen hat, werden alle illegalen Migrantinnen und Migranten freigelassen. Hütet euch davor, Labour das Sagen über unsere Landesgrenzen zu geben.»
Sunak meint damit: Labour würde die Hunderten von Bootsflüchtlingen freilassen, die in den letzten Wochen vorübergehend festgesetzt worden sind, damit sie so bald wie möglich nach Ruanda abgeschoben werden. Labour hat sich seit Beginn gegen das Ruanda-Programm ausgesprochen, da es viel koste und nichts bringe.
![Menschen am nebligen Strand, teilweise in Rettungswesten.](https://www.srf.ch/static/cms/images/960w/3c8be44.jpg)
«Wenn Ihr Abschreckungsprogramm doch so erfolgreich ist, Herr Premierminister, wie erklären Sie dann, dass seit Anfang des Jahres so viele Asylsuchende wie noch nie per Boot einreisen?», fragt Labour-Chef Keir Starmer in der letzten grossen TV-Debatte vor den Wahlen ironisch zurück.
Neues Abwehrkommando und bessere Zusammenarbeit mit der EU
Labour-Chef Keir Starmer möchte die illegale Zuwanderung mit einer neuen, schlagkräftigeren Kommandostruktur in den Griff bekommen. Mehrere Hundert Fachpersonen – auch aus Geheimdienst- und Terrorabwehreinheiten – sollen den Schlepperbanden das Handwerk legen: «Als leitender Staatsanwalt habe ich geholfen, länderübergreifend agierende kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. Dasselbe werden wir mit den Schlepperbanden tun.»
Keir Starmer möchte auch Rückübernahmeabkommen mit zahlreichen Ländern abschliessen, darunter auch mit EU-Ländern – reisen doch die Bootsflüchtlinge durch sichere EU-Länder an den Ärmelkanal.
Gewinnt Starmer die Wahlen, wird er schon in zwei Wochen die erste Gelegenheit haben, bei zahlreichen europäischen Staats- und Regierungschefs dafür zu weibeln – beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft, das nördlich von London stattfinden wird. Ein Rückübernahmeabkommen als Willkommensgeschenk für den neuen Premierminister wird die EU-Spitze kaum im Gepäck haben.