Es ist bewölkt während der Konferenz in Birmingham. Das Wetter passt zur Stimmung bei den Tories. Sie ist gedämpft. Nie in ihrer Geschichte habe die konservative Partei eine solche Schmach erlebt, bilanzierte der Vorsitzende der Tories in seiner Eröffnungsrede vor der konservativen Gemeinde.
«Fühlen wir uns nicht alle verletzt, orientierungslos, enttäuscht und verärgert?», fragt Richard Fuller mit pastoraler Stimme. Man habe sich in Birmingham getroffen, um mutig vorwärts zu schauen.
Wiederaufbau als Motto
Passend zum Rehabilitationsprogramm verteilt die britische Herzgesellschaft im Foyer Prospekte. Längst erholt hat sich offensichtlich Boris Johnson. Er ziert ein Plakat, pünktlich zum Auftakt des Parteitags hat er seine Biografie geschrieben.
Frivol enthüllte Johnson, wie er sich einst als Premierminister überlegt habe, nachts britische Soldaten auf dem Seeweg in die Niederlande einzuschleusen. Diese sollten dort in einem Zolllager fünf Millionen britische Impfdosen zurückerobern, deren Ausfuhr die EU während der Pandemie blockierte. Eine Stunde später ist das Plakat nicht mehr da. Die Tories wollen die Geister der Vergangenheit loswerden.
Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft
In der Frage, wer die konservative Partei in die Zukunft führen soll, sind aktuell eine Kandidatin und drei Kandidaten im Rennen. Einer von ihnen ist der ehemalige Aussen- und spätere Innenminister James Cleverly. «Wir müssen schauen, dass sich die Partei endlich wieder um die realen Probleme der Britinnen und Briten kümmert und nicht nur um sich selbst», so Cleverly in Birmingham.
Ambitionen, dereinst vielleicht Premierminister zu werden, hat auch der Abgeordnete Tom Tugendhat. Er preist regelmässig seine Erfahrung als Offizier der britischen Armee: «Ich habe in Irak und Afghanistan gedient sowie als Sicherheitsminister unser Land vor Feinden geschützt.»
Sowohl Tugendhat wie Cleverly werden dem moderaten Flügel der Partei zugerechnet. Klar am rechten Flügel politisiert dagegen Kemi Badenoch, die überzeugt ist, dass die Britinnen und Briten etwas Besseres verdient hätten als eine Labourregierung. Sie sagt: «Es ist Zeit für etwas ganz Neues.»
Die 44-jährige Juristin ist in London geboren, aber in Nigeria aufgewachsen. Sie war unter Boris Johnson Ministerin für Gleichberechtigung. Ihre rechtskonservativen Ansichten vertritt sie regelmässig und unzimperlich. Ihr politisches Vorbild ist Margaret Thatcher.
Der Favorit der Buchmacher
Die Leidenschaft für Thatcher teilt der vierte Kandidat Robert Jenrick. Er war unter Sunak Migrationsminister. Weil die Ausschaffung von Migrantinnen und Migranten nach Ruanda aus seiner Sicht zu wenig energisch umgesetzt wurde, war er aus Protest von seinem Amt zurückgetreten. Seine aktuelle Kampagne basiert nun auf einem Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der rigorosen Kontrolle der Einwanderung.
Alle vier versuchen sich in diesen Tagen in Birmingham ins rechte Licht zu rücken. Jenrick gilt zurzeit als der Favorit der Buchmacher.
Die Parlamentsfraktion entscheidet zwar in diesen Wochen, welche zwei Personen im Rennen verbleiben. Doch das letzte Wort hat Ende Oktober die Parteibasis.